Zur Erntezeit des Jahres 1728 war das Dorf Habkirchen der Schauplatz einer Auseinandersetzung, die in ihrer Komik an einen Bauernschwank erinnert. Die Akteure: zwei Mönche von Gräfinthal, Pater Peter, der Prokurator des Klosters, und Pater Hieronymus, begleitet von zwei Frauenberger Untertanen, sowie der von der Leyensche Hofbeständer und Zehnteinnehmer Johannes Buschmann, dessen Vater und einige Habkircher Bauern.
In Habkirchen herrschten damals recht komplizierte Besitzverhältnisse:
Neben den Grafen von der Leyen besaßen der Deutschherrenorden in
Saarbrücken und die Herrschaft von Frauenberg jeweils Rechte und Anteile,
und auch das Kloster Gräfinthal beanspruchte von alters her einen Teil
des Zehnten. Wie die Rechtslage tatsächlich war, dürfte heute schwer
zu ermitteln sein. Es scheint jedenfalls so, als sei es schon öfter
zu Meinungsverschiedenheiten wegen des Zehnten gekommen, so daß der
Graf von der Leyen seine Untertanen bei 5 Gulden Strafe angewiesen hatte,
keine Getreidegarben direkt vom Feld an die Gräfinthaler
herauszugeben.
Vier Fäuste und ein Halleluja
Die Gräfinthaler Mönche glaubten sich vom Rentmeister der Leyenschen
Herrschaft übervorteilt und erschienen deshalb während der
Getreideernte auf der Habkircher Flur, um den ihnen ihrer Meinung nach
gebührenden Anteil am Zehnten einzufordern.
Pater Peter und Pater Hieronymus kamen in Begleitung von zwei Einwohnern
von Frauenberg (der Ort Frauenberg
liegt gegenüber von Habkirchen am anderen Ufer der Blies und gehörte
damals zu Lothringen), die als Zeugen
der Ereignisse später noch eine wichtige Rolle spielen sollten.
Johannes Buschmann, der Zehnteinnehmer der Leyenschen Herrschaft, war mit
seinem Vater und drei Knechten eben dabei, die Zehntgarben einzufahren. Er
wurde von den Gräfinthalern aufgefordert, vier Getreidegarben von seinem
Fuhrwerk abzuladen und ihnen zu übergeben. Buschmann weigerte sich und
erwiderte, er habe mit ihnen nichts zu teilen; er habe den Zehnten für
seine Herrschaft einzunehmen, und wenn die Garben gedroschen seien, könnten
sich die Mönche den ihnen zukommenden Anteil abholen.
Während dieses Wortwechsels fuchtelte Pater Hieronymus mit seinem Rohrstock
herum und nahm eine drohende Haltung an. Buschmann ließ sich jedoch
dadurch nicht einschüchtern und setzte seine Arbeit fort. Das erboste
den besagten Pater nun so, daß er wüste Schimpftiraden gegen den
(nicht anwesenden) Blieskasteler Rentmeister losließ und ihn der
Unredlichkeit bei der Aufteilung des Zehnten beschuldigte. Er schätze
"den Rentmeister wie seinen Schuhlumpen, wenn er seine Schuhe damit geputzt
habe, würfe er ihn in eine Ecke". Da die Gottesmänner offenbar
nicht davor zurückschreckten, Gewalt anzuwenden, rief Buschmann einige
Habkircher Bauern zu Hilfe, die in der Nähe das Korn schnitten. "Als
nun die Leute herbeikamen und die Garben angreifen wollten, hätte der
Pater Peter den Beständer (Buschmann) mit dem Stock durch die
Garbe auf die Brust gestoßen" und sie ihm entrissen. Darauf Buschmann:
die Mönche täten besser daran, "bei ihren Büchern zu
bleiben" (die Wilhelmiten waren ein sog. kontemplativer Orden), aber
die Kontrahenten waren offenbar fest entschlossen, sich ihres Anteils zu
bemächtigen.
Pater Peter stellte sich also mit beiden Füßen
auf die umstrittene Garbe, und als die Knechte sie anpackten und aufladen
wollten, krallte er sich daran fest. Die Knechte schleppten aber die Garbe
samt dem daranhängenden Pater über einen Wassergraben, und bei
dieser Aktion landete selbiger im feuchten Element. Hochwürden müssen
keine besonders gute Figur dabei gemacht haben.
Während dieser Rangelei geriet Pater Hieronymus völlig aus dem
Häuschen, tobte herum und beschimpfte Buschmann, dessen Vater und den
Rentmeister als "Schelme und Hundsfotten", kurz, die Patres führten
sich in einer Weise auf, die ihrem geistlichen Stand nicht eben angemessen
war.
Nachdem sie einsehen mußten, daß sie so nicht zum Ziel kamen,
zogen sie samt Gefolge unverrichteter Dinge ab.
Soweit die Schilderung der Ereignisse nach einem von Johannes Buschmann
unterzeichneten Bericht vom 26. Juli 1728.
(Archiv Waal, Nr. 2953 I, jetzt
Landesarchiv Saarland)
Falsche Anschuldigungen und manipulierte Zeugen
Wie sich dann herausstellte, begaben sich die Gräfinthaler gleich
anschließend nach Saargemünd, um einen 'Proces verbal', also ein
Protokoll in französischer Sprache über den Hergang der Ereignisse
aufnehmen zu lassen. Die beiden Frauenberger, die nur Deutsch verstanden,
wurden darin als Zeugen angeführt. Dieses Protokoll
( der Originaltext lag leider nicht
vor und der Inhalt ist aus den Blieskasteler Archivalien zu
rekonstruieren) , in dem offenbar Buschmann
und seine Leute als Angreifer dargestellt wurden, sandte man dem Bischof
von Metz zu. Die Sache eskalierte also weiter.
Johannes Dhom, der Meyer von Habkirchen, wurde nun von Leyenscher Seite
eingeschaltet; in einem Schreiben an seine Herrschaft faßt er die
Ergebnisse seiner eigenen Recherchen über den Hergang des Streits
zusammen.
Der Meyer suchte die Frauenberger Zeugen auf und ließ sich von ihnen
eine Schilderung der Einzelheiten im Verlauf der Rangelei geben. Im Protokoll
der Gräfinthaler war wohl behauptet worden, daß die Mönche
geschlagen, gestoßen und mit Füßen getreten worden seien.
Die Zeugen erklärten jedoch gegenüber dem Meyer Dhom, daß
sie "von keinem Schlagen, Stoßen oder mit Füßen treten"
wüßten; und falls derartiges im 'Proces verbal' behauptet würde,
"so wäre es nicht recht". Sie seien auch bereit, die von den
Geistlichen gebrauchten Schimpfworte zu bezeugen.
Aus einem weiteren, von Johannes Buschmann unterzeichneten Schreiben an den
Grafen von der Leyen geht u.a. hervor, daß die besagten Zeugen das
Protokoll der Mönche unterzeichnet hatten, ohne dessen Inhalt genau
zu kennen, da sie kein Französisch verstanden und der Text ihnen offenbar
mangelhaft ins Deutsche übersetzt worden war.
Die Exkommunikation
Wie schon erwähnt, war das Protokoll der Vorfälle dem Bischof von
Metz zugegangen, der nun seinerseits weitere Schritte unternahm. Der Erzpriester
von Bebelsheim wurde von ihm angewiesen, die Exkommunikation gegen Johannes
Buschmann auszusprechen. Außer ihm selbst wurden auch sein Vater Hans
Paulus Buschmann und drei seiner Knechte mit dem kirchlichen Bannstrahl
belegt.
Die Rehabilitation
Gegen diese Machenschaften mußte Buschmann sich wehren, um seine Ehre
und seinen guten Ruf wiederherzustellen. Er erreichte offenbar die Einsetzung
einer Untersuchungskommission zur Klärung der im Protokoll von den
Mönchen erhobenen Vorwürfe, obwohl diese ihrerseits alles daran
setzten, die Untersuchung der Affäre zu verzögern und zu hintertreiben.
Die Sache zog sich über mehrere Monate hin. Sämtliche Zeugen des
Vorfalls wurden schließlich erneut vernommen, und der Bischof sah sich
genötigt, die Exkommunikation zu widerrufen und den Gräfinthaler
Mönchen, die die Sache angezettelt hatten, einen harten Verweis zu erteilen,
da sie "in gewalttätiger Weise auf fremdes Territorium eingefallen"
waren.
Die Kosten
Johannes Buschmanns guter Ruf war damit zwar wiederhergestellt, aber um zu seinem Recht zu kommen, hatte er, wie er schreibt, während der Erntezeit seine Arbeit versäumen müssen, und es waren ihm eine Menge Unkosten durch mehrfache Reisen nach Metz entstanden. Seinen Schaden bezifferte Buschmann auf insgesamt 900 Gulden; er ersuchte seinen gnädigen Herrn, ihm diese Summe vorzuschießen, bis die Gräfinthaler Schadenersatz geleistet hätten, und schlug vor, den dem Kloster zustehenden Zehntanteil vorerst als Pfand zu beschlagnahmen.
Ob die Gräfinthaler jemals zahlten, geht aus den Akten nicht hervor.
Es existiert allerdings eine 'Spezifikation', d.h. eine Aufstellung der
Gerichtskosten, die die Namen von 13 Zeugen enthält und insgesamt einen
interessanten Einblick in die Rechtspraxis der damaligen Zeit bietet.