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Habkirchen anno 1728: Gräfinthaler Mönche contra Habkircher Bauern

von Gertraud Wiehsalla, 1997


Der Bericht wurde in der Zeitschrift "Saarpfalz", 1997, Heft 2, veröffentlicht. In der gedruckten Fassung sind Transkriptionen der Akten enthalten, die hier nicht übernommen wurden.

Actum Bließkastel
" Actum Bließkastel den 26 ten Juli 1728 "

Zur Erntezeit des Jahres 1728 war das Dorf Habkirchen der Schauplatz einer Auseinandersetzung, die in ihrer Komik an einen Bauernschwank erinnert. Die Akteure: zwei Mönche von Gräfinthal, Pater Peter, der Prokurator des Klosters, und Pater Hieronymus, begleitet von zwei Frauenberger Untertanen, sowie der von der Leyensche Hofbeständer und Zehnteinnehmer Johannes Buschmann, dessen Vater und einige Habkircher Bauern.

In Habkirchen herrschten damals recht komplizierte Besitzverhältnisse: Neben den Grafen von der Leyen besaßen der Deutschherrenorden in Saarbrücken und die Herrschaft von Frauenberg jeweils Rechte und Anteile, und auch das Kloster Gräfinthal beanspruchte von alters her einen Teil des Zehnten. Wie die Rechtslage tatsächlich war, dürfte heute schwer zu ermitteln sein. Es scheint jedenfalls so, als sei es schon öfter zu Meinungsverschiedenheiten wegen des Zehnten gekommen, so daß der Graf von der Leyen seine Untertanen bei 5 Gulden Strafe angewiesen hatte, keine Getreidegarben direkt vom Feld an die Gräfinthaler herauszugeben.

Vier Fäuste und ein Halleluja

Die Gräfinthaler Mönche glaubten sich vom Rentmeister der Leyenschen Herrschaft übervorteilt und erschienen deshalb während der Getreideernte auf der Habkircher Flur, um den ihnen ihrer Meinung nach gebührenden Anteil am Zehnten einzufordern.
Pater Peter und Pater Hieronymus kamen in Begleitung von zwei Einwohnern von Frauenberg (der Ort Frauenberg liegt gegenüber von Habkirchen am anderen Ufer der Blies und gehörte damals zu Lothringen), die als Zeugen der Ereignisse später noch eine wichtige Rolle spielen sollten.
Johannes Buschmann, der Zehnteinnehmer der Leyenschen Herrschaft, war mit seinem Vater und drei Knechten eben dabei, die Zehntgarben einzufahren. Er wurde von den Gräfinthalern aufgefordert, vier Getreidegarben von seinem Fuhrwerk abzuladen und ihnen zu übergeben. Buschmann weigerte sich und erwiderte, er habe mit ihnen nichts zu teilen; er habe den Zehnten für seine Herrschaft einzunehmen, und wenn die Garben gedroschen seien, könnten sich die Mönche den ihnen zukommenden Anteil abholen.
Während dieses Wortwechsels fuchtelte Pater Hieronymus mit seinem Rohrstock herum und nahm eine drohende Haltung an. Buschmann ließ sich jedoch dadurch nicht einschüchtern und setzte seine Arbeit fort. Das erboste den besagten Pater nun so, daß er wüste Schimpftiraden gegen den (nicht anwesenden) Blieskasteler Rentmeister losließ und ihn der Unredlichkeit bei der Aufteilung des Zehnten beschuldigte. Er schätze "den Rentmeister wie seinen Schuhlumpen, wenn er seine Schuhe damit geputzt habe, würfe er ihn in eine Ecke". Da die Gottesmänner offenbar nicht davor zurückschreckten, Gewalt anzuwenden, rief Buschmann einige Habkircher Bauern zu Hilfe, die in der Nähe das Korn schnitten. "Als nun die Leute herbeikamen und die Garben angreifen wollten, hätte der Pater Peter den Beständer (Buschmann) mit dem Stock durch die Garbe auf die Brust gestoßen" und sie ihm entrissen. Darauf Buschmann: die Mönche täten besser daran, "bei ihren Büchern zu bleiben" (die Wilhelmiten waren ein sog. kontemplativer Orden), aber die Kontrahenten waren offenbar fest entschlossen, sich ihres Anteils zu bemächtigen.

auf die Brust getsoßen
"...mit dem Stock durch die Garb auf die Brust gestoßen..."

Pater Peter stellte sich also mit beiden Füßen auf die umstrittene Garbe, und als die Knechte sie anpackten und aufladen wollten, krallte er sich daran fest. Die Knechte schleppten aber die Garbe samt dem daranhängenden Pater über einen Wassergraben, und bei dieser Aktion landete selbiger im feuchten Element. Hochwürden müssen keine besonders gute Figur dabei gemacht haben.
Während dieser Rangelei geriet Pater Hieronymus völlig aus dem Häuschen, tobte herum und beschimpfte Buschmann, dessen Vater und den Rentmeister als "Schelme und Hundsfotten", kurz, die Patres führten sich in einer Weise auf, die ihrem geistlichen Stand nicht eben angemessen war.

Hundsfutten
"...wohl zehenmahl ein s.v. Hundsfutten.... gescholten..."

Nachdem sie einsehen mußten, daß sie so nicht zum Ziel kamen, zogen sie samt Gefolge unverrichteter Dinge ab.
Soweit die Schilderung der Ereignisse nach einem von Johannes Buschmann unterzeichneten Bericht vom 26. Juli 1728. (Archiv Waal, Nr. 2953 I, jetzt Landesarchiv Saarland)

Falsche Anschuldigungen und manipulierte Zeugen

Wie sich dann herausstellte, begaben sich die Gräfinthaler gleich anschließend nach Saargemünd, um einen 'Proces verbal', also ein Protokoll in französischer Sprache über den Hergang der Ereignisse aufnehmen zu lassen. Die beiden Frauenberger, die nur Deutsch verstanden, wurden darin als Zeugen angeführt. Dieses Protokoll ( der Originaltext lag leider nicht vor und der Inhalt ist aus den Blieskasteler Archivalien zu rekonstruieren) , in dem offenbar Buschmann und seine Leute als Angreifer dargestellt wurden, sandte man dem Bischof von Metz zu. Die Sache eskalierte also weiter.
Johannes Dhom, der Meyer von Habkirchen, wurde nun von Leyenscher Seite eingeschaltet; in einem Schreiben an seine Herrschaft faßt er die Ergebnisse seiner eigenen Recherchen über den Hergang des Streits zusammen.
Der Meyer suchte die Frauenberger Zeugen auf und ließ sich von ihnen eine Schilderung der Einzelheiten im Verlauf der Rangelei geben. Im Protokoll der Gräfinthaler war wohl behauptet worden, daß die Mönche geschlagen, gestoßen und mit Füßen getreten worden seien. Die Zeugen erklärten jedoch gegenüber dem Meyer Dhom, daß sie "von keinem Schlagen, Stoßen oder mit Füßen treten" wüßten; und falls derartiges im 'Proces verbal' behauptet würde, "so wäre es nicht recht". Sie seien auch bereit, die von den Geistlichen gebrauchten Schimpfworte zu bezeugen.

mit Füßen tretten
"...wüste von keinem schlagen, stoßen oder mit Füßen tretten..."

Aus einem weiteren, von Johannes Buschmann unterzeichneten Schreiben an den Grafen von der Leyen geht u.a. hervor, daß die besagten Zeugen das Protokoll der Mönche unterzeichnet hatten, ohne dessen Inhalt genau zu kennen, da sie kein Französisch verstanden und der Text ihnen offenbar mangelhaft ins Deutsche übersetzt worden war.

Die Exkommunikation

Wie schon erwähnt, war das Protokoll der Vorfälle dem Bischof von Metz zugegangen, der nun seinerseits weitere Schritte unternahm. Der Erzpriester von Bebelsheim wurde von ihm angewiesen, die Exkommunikation gegen Johannes Buschmann auszusprechen. Außer ihm selbst wurden auch sein Vater Hans Paulus Buschmann und drei seiner Knechte mit dem kirchlichen Bannstrahl belegt.

Die Rehabilitation

Gegen diese Machenschaften mußte Buschmann sich wehren, um seine Ehre und seinen guten Ruf wiederherzustellen. Er erreichte offenbar die Einsetzung einer Untersuchungskommission zur Klärung der im Protokoll von den Mönchen erhobenen Vorwürfe, obwohl diese ihrerseits alles daran setzten, die Untersuchung der Affäre zu verzögern und zu hintertreiben.

ohnstatthafte Klage
" ...dannoch Hr. Prior undt convent des Gotteshauß zu Gräfenthal sich nicht gescheut, ...decretirte ohnstatthafte Klage dolose zu traduciren undt satisfaction zu begehren... "

Die Sache zog sich über mehrere Monate hin. Sämtliche Zeugen des Vorfalls wurden schließlich erneut vernommen, und der Bischof sah sich genötigt, die Exkommunikation zu widerrufen und den Gräfinthaler Mönchen, die die Sache angezettelt hatten, einen harten Verweis zu erteilen, da sie "in gewalttätiger Weise auf fremdes Territorium eingefallen" waren.

Die Kosten

Johannes Buschmanns guter Ruf war damit zwar wiederhergestellt, aber um zu seinem Recht zu kommen, hatte er, wie er schreibt, während der Erntezeit seine Arbeit versäumen müssen, und es waren ihm eine Menge Unkosten durch mehrfache Reisen nach Metz entstanden. Seinen Schaden bezifferte Buschmann auf insgesamt 900 Gulden; er ersuchte seinen gnädigen Herrn, ihm diese Summe vorzuschießen, bis die Gräfinthaler Schadenersatz geleistet hätten, und schlug vor, den dem Kloster zustehenden Zehntanteil vorerst als Pfand zu beschlagnahmen.

Ob die Gräfinthaler jemals zahlten, geht aus den Akten nicht hervor. Es existiert allerdings eine 'Spezifikation', d.h. eine Aufstellung der Gerichtskosten, die die Namen von 13 Zeugen enthält und insgesamt einen interessanten Einblick in die Rechtspraxis der damaligen Zeit bietet.

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