HOCH

Auszüge und Zusammenfassungen einiger Urkunden des ehem. Fürstlich von der Leyenschen Archivs Waal zur Säkularisation des Wilhelmitenklosters Gräfinthal im Jahr 1786 und den unmittelbar vorangegangenen Geschehnissen.


Die nachfolgende Aufstellung erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Es standen einerseits nur eine beschränkte Auswahl der diesbezüglichen Archivbestände in Form von Fotokopien zur Verfügung, andererseits wurden auch diese aus Zeitgründen nicht vollständig berücksichtigt. Auch auf eine inhaltliche Auswertung wurde verzichtet. Es ist lediglich beabsichtigt, anhand der bislang überwiegend weder bearbeiteten noch publizierten Quellen einen kleinen, bruchstückhaften Einblick in die Geschehnisse kurz vor der Auflösung des Klosters zu geben.
Kopf Urkunde Säkularisation
Kopf einer Urkunde von 1783 zur geplanten "Extinction" des Klosters

Zu den vorangegangenen Unstimmigkeiten und Querelen innerhalb des Ordens (Waal 3010/I):

Am 21. November 1782 gibt der Prior von Bernardfagne Frater Benedictus Lelarge, Senior Prior und Definitor Ordinis der Wilhelmiten ein Rundschreiben an die weiteren Wilhelmitenklöster heraus, in dem er ein vorgezogenes Generalkapitel zum 8. Dezember anberaumt. In diesem ist in recht unbestimmter Form von Auflehnung und der Möglichkeit der Wahl von Opponenten die Rede.

Am 22. November 1782 folgt ein weiteres Schreiben, gerichtet an den Prior von Gräfinthal, in dem das vorausgegangene Schreiben in aller Deutlichkeit widerrufen wird. Frater Lelarge gibt an, von dem Prior von Liège dazu überredet worden zu sein, das Generalkapitel vorzuziehen, jedoch kurz danach seine Meinung geändert zu haben. Er befiehlt dem Prior von Gräfinthal nicht an dem Kapitel teilzunehmen und teilt mit, daß der Prior von Liège sich ihm widersetzt habe und er vermutet, daß dieser sein Schreiben entgegen seiner jetzigen Überzeugung zum Einberufen des Generalkapitels verwenden würde und wohl auch Übles im Sinne habe.

Am 13. Dezember 1782 folgt ein erneutes Schreiben an den Prior von Gräfinthal, Norbert Dresse, verfaßt vom Kanoniker Hennequin von St. Barthelemy. In diesem wird sich heftigst über einen gewissen Rumpel beklagt, der sich dem Prior von Bernardfagne widersetzend, das Generalkapitel einberufen habe und sich dort zum neuen Ordensvorsteher wählen lassen habe, obwohl dort am Sonntag "nur der Prior von Penne mit seinem Diskreten" und am Montag "irgendein humpelnder Mönch" eingetroffen seien.

Brief Rumpel
Auszug aus o.g. Brief: " ...une espece de religieux boiteux... un scandal public... "

Es wird aufgefordert, die Wahl nicht anzuerkennen bzw. für ungültig erklären zu lassen. Desweiteren heißt es, daß jener Rumpel einen D. Biquet aus dem Gefängnis habe holen lassen und wohl beabsichtige ihn zum Prior von Liège zu machen. Auch soll er ihn durch Mißhandlung gefügig gemacht haben, so daß dieser alles unterschrieben habe, was man ihm vorgelegt habe. Angekündigt wird auch ein weiteres längeres Rundschreiben vom Prior von Bernardfagne zu der genannten Sache.

Dieses Schreiben des Priors von Bernardfagne, datiert den 14. Dezember 1782 besagt, daß D. Franciscus Rompel vom Kloster Gräfinthal zum Kloster nahe Lüttich (Liege, Leodem) geflohen sei.

Zur Säkularisation des Klosters:

Die oben angerissenen Probleme innerhalb des Ordens scheinen in den Folgezeit nicht überwunden worde zu sein. Schon im Früjahr des Jahres 1785 fand sich Prior Dressé, unterstützt durch die Reichsgräfin von der Leyen, bei Papst Pius IV in Rom ein um die Auflösung des Klosters zu bewirken. Bereits im Jahr 1783 wurde die Absicht geäußert das Kloster aufzulösen und eine Stiftskirche in Blieskastel zu bauen. Letzteres kam dem Anliegen entgegen. Nach Prüfung der Gründe wurde zu Jahresende die Erlaubnis dazu gegeben. Papst Pius unterzeichnete die Bulle und verfügte die Umwandlung in ein Chorherrenstift mit dem Namen "Blieskasteler St.Sebastianus Collegiat Stift ".

In den zur Verfügung stehenden Urkunden enthalten ist unter anderem auch ein Schreiben an die Blieskasteler Gräfin von der Leyen, in dem erstmalig der Wunsch zur Auflösung des Klosters begründet wird.

Hier heißt es daß es zu dieser Zeit 8 Mönche in Gräfinthal gibt, dazu der Priester von Bliesmengen Charles Urich, sowie der Priester von Blickweiler und Blieskastel, Gerôme Bringo.

Vorliegend (Waal Nr.?) desweiteren ein undatierter (wohl Anfang 1786) Brief, wohl im Auftrag der Gräfinthaler Mönche, des Mr Hubert Lemaire, procureur de la Cour Ecclesiastique et civile de la ville de Metz, demeurant rue de la Trinité Paroisse de Ste Croix an den Bischof von Metz.

In diesem Brief wird auf die Bulle des Papstes Pius VI vom 24. November 1785 (le huit des Calendes de Decembre 1785), in der der Auflösung des Klosters grundsätzlich zugestimmt wird, Bezug genommen. (Siehe hierzu Wolfgang Mußzeyko, Die Bulle des Papstes Pius VI. Bezüglich der Aufhebung des Klosters Gräfinthal, in Saarpfalz 1986/1, S.19).

Es scheint jedoch, daß eine weitere Überprüfung der in Gräfinthal geschilderten Zustände und die davon wohl letztendlich Abhängige endgültige Zustimmung zur Säkularisation des Klosters von Papst Pius VI kommissarisch an den Bischof von Metz übergeben wurde. Nach einer einleitenden recht ausfürlichen Aufzählung der verschiedenen Gründe für die Bitte der Mönche das Kloster zu verlassen und sich zu Chorherren in Blieskastel umwandeln zu lassen, beschreibt der Brief die Modalitäten und bittet um die Durchführung.

Behauptet wird unter anderem, daß das Kloster (das tatsächlich in einem idyllischen, von Bächen durchflossenen Tal liegt) auf einem steilen Felsen gelegen und deswegen sehr schwer zugänglich sei, und die Baulichkeiten (die unter dem Mäzenatentum von Stanislaus Leszczynski in der ersten Hälfte des 18. Jh. neu errichtet wurden -das in seiner Zeit als Statussymbol geltende Taubenhaus ist auf das Todesjahr Leszczynskis -1766- datiert) werden als inzwischen baufällig und eine Gefahr für die Bewohner bezeichnet. Auch gebe es Streitigkeiten, zu große Abstände zu den weiteren Klöstern des Ordens und dem Orden fehle der Obere, er sei somit wie ein "Körper ohne Kopf oder eine Herde ohne Hirte".

der unzugängliche Felsen
"...Situation sur un rocher d'un accès très difficile..."

Auszüge aus dem Brief:

No.6

Monseigneur L'illustrissime et Reverendissime Evèque de Metz, ou à Mr. Son Official

Supplient très humblement les Prieur, Sousprieur, Procureur et Religieux du Monastère de Gräfinthal ordre de St.Guillaume sous la Regle de Saint Benoit, Diocesse de Metz Sauveur[?] & c. tous religieux profés du dit monastère agissant tant collectivement que separement.

Disant, que par la Bulle de notre St. Père le Pape Pie VI donné a Rome à St. Pierre le huit des Calendes de Decembre 1785, il paroit que Sa Sainteté sur la consideration que l'Eglise ou Monastère des Suppliants Deperi[?] et menace d'ecoulement, que les Batiments des lieux claustraux sont en Ruine à raison de leur vétusté, ce qui rend l'habitation dangereuse, que la maison n'a pas de resource suffisante pour opérer la réconstruction du tout, que d'allieurs l'utilité en est cessée à cause de la Situation sur un rocher d'un accès très difficile, et parceque le Monastère, qui a été précédemment en congregation avec huit autres monasteres du même ordre sous le regime d'un Vicaire général et de 4. Definiteurs se trouve fort eloigné des autres dont au reste l'ancien regime est actuellement derangé, parceque des huit monasteres quatre qui sont Situés sous la Domination d'Autriche sont demembrés et separés de l'ancienne congregation, que celui de Vechincourt[?] a été uni à la Jurisdiction de l'archevêque de Cambray, en sorte que les differents monastères reduits à un trés petit nombre de religieux sont sans superieur général ou majeur et en forment plus qu'un corps sans tête et un troupeau sans pasteur, sans espérance de pouvoir en choisir un, soit à cause du trés grand eloignement de ces monastères entre eux, le plus près de la maison des Suppliants etant à une distance de 50 lieux, et le plus éloigné à celle de cent Douze lieux, soit à cause de la dissention qui s'est élevée depuis longtemps dans le reste de l'ordre et qui en a desuni les monastères sans possibilité de trouver le moyen de les réunir vu leur distance les uns des autres et à cause des changements survenus et qui s'opposent dans une grande partie de l'allemagne à ce qu'il soit donné à des monastères de differentes dominations une discipline uniforme, qui en rendrait l'observance plus regulière, ce qui ferait craindre la chûte de la regularité, en même temps que celle des Batiments et lieux claustraux du monastere des Suppliants en quoi par ces Considerations et autres plus amplement detaillées dans la dite Bulle, il aparu au St. Pere qu'il y avait moyen de pourvoir non seulement sans diminution, mais encore avec augmentation du Culte divin, et à la plus grande utilité des fideles en conservant et personnes et les Biens des Suppliant par la voye de la Sécularisation et par l'erection en collegiale de l'Eglise paroissiale de Bliescastel qui leur appartient, à tout quoi Sa Sainteté ayant voulu pourvoir en effet, elle a par la Surdite Bulle expediée en forme Commissoire à vous adressée Monseigneur ou à Mr votre official voulu que vous puissiés ou Mr votre official en vertu de l'autorité apostolique, et après avoir appelé ceux qui ont Droit ou Sont dans le cas d'ètre appelés,

1mo) Diviser et separer la maison et monastère des Suppliants et ce à perpétuité de l'ordre de St.Guillaume et de la congregation.

[...]

12mo) Assigner sur les fruits et revenus du monastère ou maison claustrale à éteindre et sur la manse capitulaire à former une pension annuelle telle qu'elle sera par vous estimée Monseigneur, à Rompel Wenzel prêtre religieux du dit monastère et Prieur d'un autre monastère du même ordre dans la Ville et Diocesse de liège et ce pendant la vie naturelle seulement àfin de pouvoir par lui se soutenir decemment dans quelque couvent du même ordre après cependant demission de la part du titre et de l'office de Prieur du monastère ou il est et donc il est pourvu, et non autrement.

[...]

Wohl auf dieses Schreiben bezugnehmend folgt ein Schreiben (eher eine Notiz) von Abt Nicolas Bertin, Vice-Gérent de l'officialité und vicaire general du Diocesse (v.Metz), datiert den 9. Mai 1786.

Hierin wird die Kenntnisnahme des Schreibens sowie der darin genannten Bullen bestätigt und die Sache zur weiteren Abwicklung und Prüfung an den Promoteur Général de la Diocesse weitergeleitet.

Der Promoteur Général namens Ravaux nimmt bereits am 10. Mai 1786 dazu Stellung. Es heißt, daß vor der Umsetzung der in der Bulle enthaltenen Anweisungen "er" (wohl der Papst) über die Wahrhaftigkeit der zu Säkularisierung und Suppression des Klosters führenden Angaben informiert werden solle:

1mo) Si la totalité du monastère de Gräfinthal menace une ruine prochaine, de sorte qu'on ne puisse sans danger continuer de l'habiter;
2do) a quoi se pourrait monter la depense de la reconstruction ?
3tio) quels sont les revenus du dit monastère ?
4to) quel est le nombre actuel de ses religieux ?
5to) Si le dit monastère est d'aucune utilité ?
6to) Si son inutilité vient de ce qu'il est situé sur un rocher d'un accès difficile.
7mo) en quoi le dit monastère relève pour le présent de la congregation reguliere de St.Guillaume
8vo) quels inconveniens il y aurait, qu'il se soumit entierement à la juridiction de l'Evèque Diocesain ?
9no) quels sont les revenus de la Cure de Bliesmengen ainsi que celle de Blickweiler et Blieskastel reunies circonstances et dependances ?

Weiterhin wird verlangt, daß die Oberen (supérieurs reguliers majeurs) des Wilhelmitenordens sowie alle sonstigen Beteiligten zum mündlichen Verfahren zur genannten Sache gerufen werden sollen und die Bittsteller hierbei Rechenschaft ablegen sollen über alle ihre Einkünfte und Güter.

Diese Stellungnahme geht nun zurück zum Vice-Gérent Bertin, der seinerseits daraufhin am 16. Mai 1786 anordnet, daß vor der Umsetzung (avant de faire droit) die Beteiligten (parties interessées) vor Mr. Séholz, archiprêtre und curé von Boquenom (Lothr.), der ihn in dieser Angelegenheit kommissarisch vertritt, erscheinen sollen.

Insbesondere werden hierbei genannt der "Superieur Général" der Kongregation der Wilhelmiten, die "officiers municipaux" von Blieskastel, die Erbauer der "Paroisse" in Blieskastel sowie die Gräfin von der Leyen vertreten durch einen ihrer Berater.

Auch sollen die Bittsteller Rechenschaft ablegen über die Gründe ihres Anliegens, insbesondere - es tauchen dieselben Fragen auf wie im vorgenannten Schreiben, wenn auch leicht umformuliert und in anderer Reihenfolge - sowie

[...]
7mo) S'il ne serait pas convenable de separer le dit monastère de Gräfinthal de la congregation de St.Guillaume à cause du derangement de l'ancien regime, qui n'etant plus composé que de très peu de Maisons fort éloignées les unes des autres ne peuvent plus se reunir sous un même chef.
[...]
9no) Qu'il sera informé, S'il est plus convenable que cette future collegiale soit soumise immediatement à Msgs L'Evêque de Metz, qu'au St.Siège ?

Weiterhin wird vom Prior und den Mönchen eine detaillierte Liste über alle ihre Einkünfte und Güter verlangt. Über dieses und über das Ergebnis der Befragung soll ein Rapport erstellt werden, der ihm, Bertin und dem Promoteur général de la Diocese zugestellt werden soll.

Es folgt ein Schreiben von Séholz, datiert den 31. Juli 1786 in Boquenom, in dem er die Mönche von Gräfinthal, namentlich

Unterschriften
- Norbert Dressé, Prior.
- Pierre Hauregard, Subprior,
- Guillaume Nizet, Senior
- Philippe Anheiser,
- Norbertus Lognay,
- Joseph Jerusalem,
- Carolus Hager (Procureur) und
- Bernardus Lizius


samt ihrer Zeugen und allen Interessierten sowie alle im vorigen Schreiben genannten zum 30. August 1786 um 2 Uhr nach Blieskastel (Maison des R:Pères Recollects, hotel par nous choisi), einlädt.

Bei diesem Treffen wurden anscheinend alle noch vorhandenen Unstimmigkeit beseitigt, denn kurz darauf wurde der Klosterbereich ausgemessen, am 7. September 1786 erfolgte die Aussteinung mit Grenzsteinen, am 16. November war die Inventur abgeschlossen und am 28. November 1786 ziehen die Mönche endgültig aus Gräfinthal, dem letzten Wilhelmitenkloster in Deutschland, aus. Die Konventgebäude wurden geleert, das gesamte Mobiliar ausgeräumt sowie alle wiederverwertbaren Baubestandteile wie Fenster, Dielen, Sandsteinwerkstücke, Dachbalken und Eindeckung abgebaut und entweder verkauft oder nach Blieskastel transportiert. Der Rest wurde nun als Steinbruch benutzt, so daß von den Klostergebäuden im Konventbereich bereits kurze Zeit später nur noch Ruinen verblieben.

Die Mönche wurden von ihren Gelübden entbunden und zu Chorherren in Blieskastel umgewandelt, Vorsitzender des Chorherrenstifts wurde der Prior von Gräfinthal, Norbert Dressé. Die Chorherren bekamen in Blieskastel eine eigene Wohnung und einen jährlichen Geldbetrag (etwa 600 Gulden) sowie Holz, Lebensmittel und Wein aus den Weinbergen rund um Gräfinthal, wobei der Kapitular jeweils die doppelte Menge erhielt. Die Weinmenge soll übrigens im guten Weinjahr 1790 etwa 350 Liter pro Person betragen haben.

Der Blieskasteler Stift wurde infolge der Wirren der französischen Revolution im Juli 1802 endgültig aufgelöst, der teilweise aus den veräußerten Beständen des Gräfinthaler Klosters finanzierte Bau der Stiftskirche nie vollendet und im Jahr 1803 für 700 Gulden zum Abriß verkauft.

Das letzte bestehende Wilhelmitenkloster, Huybergen in Nordbrabant, wurde 1798 aufgelöst, 1814 entstand wieder ein kleinerer Konvent, der sich 1847 jedoch einem Zisterzienserkloster anschloß und somit das endgültige Ende dieses Ordens der 'Weißmäntel' besiegelte.

Jan Selmer im März 1997

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