Text und Fotos: Christel Bernard
Der folgende Bericht ist in der Zeitschrift "Saarpfalz",1995 Heft 2, veröffentlicht worden. Er faßt die Ergebnisse meiner Grabung in einer allgemein verständlichen Form zusammen.
Vorbemerkung
Vorab möchte ich der Gemeindeverwaltung Kirkel danken, die stets darum besorgt ist, dem Projekt jede nur denkbare Unterstützung zukommen zu lassen. Auch den Mitgliedern des Förderkreises Kirkeler Burg und insbesondere dem Vorsitzenden Gerd Bachmann gebührt Dank: Ohne deren ernsthaftes Interesse, die vielfältigen Hinweise und vor allem die finanzielle Unterstützung wäre vieles nicht möglich gewesen. In diesem Zusammenhang ist nicht zuletzt auch Herrn Dr. Latza zu danken, der dem Förderkreis eine großzügige Spende für die Grabung gewährt und Hilfe für die Kampagne 1995 in Aussicht gestellt hat.
Das Grabungsteam
Die Grabung auf der Burg Kirkel wird seit dem 2.5.1994 von der Gemeinde Kirkel durchgeführt und steht unter Fachaufsicht des Staatlichen Konservatoramtes des Saarlandes. In einer einjährigen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme sind bis zum 30.4.1995 eine Archäologin als Grabungsleiterin und ein technischer Zeichner angestellt. Als Grabungshelfer fungieren Asylbewerber aus dem Kosovo und dem Libanon im Rahmen gemeinnütziger Tätigkeit. Im Sommer sind mehrere Schüler aus Kirkel als Ferienarbeiter eingestellt worden. Durch die finanzielle Unterstützung des Förderkreises Kirkeler Burg ist es gelungen, zusätzlich Fachstudenten aus Georgien und dem Saarland sowie weitere freie Mitarbeiter zeitweise auf der Grabung zu beschäftigen.
Untersuchte Bereiche
1994 sind verschiedene Bereiche der Burg untersucht worden:
1) Die im Herbst 1993 begonnene Freilegung der Fläche zwischen
den beiden Türmen, der Oberburg (Fundstelle 1), ist vollendet
worden. Auch der Schacht, der sich dort befindet, ist vollständig
ausgegraben worden.
2) Gleichzeitig ist eine alte Sondage des Förderkreises nachuntersucht
worden, die sich am südwestlichen Hang zwischen dem Runden
Turm und der Burgklause befindet (Fundstelle 2).
3) Danach ist die Grabung einer Fläche unterhalb der Oberburg
begonnen worden, und zwar auf der ersten Beringebene südöstlich
neben der Treppe zum obersten Felsplateau (Fundstellen 3–6).
Die Ergebnisse dieser stratigraphischen Analyse kann man nun als Grundlage für weitere Beobachtungen nutzen: So sind an verschiedenen Mauern jeweils typische Mörtel verwendet worden. Es handelt sich um Kalkmörtel, die gut zu unterscheiden sind. Beachtet werden hierbei die Farbe des verwendeten Sandes sowie weitere erkennbare Bestandteile, wie z. B. Sandsteinchen, Holzkohle, Kalkkörnchen, Schamottestückchen und deren Größe. Es werden Proben genommen und für weitergehende Untersuchungen aufbewahrt.
Auf der Oberburg sind bereits 1993 mehrere Mörteltypen erkannt worden, die unterschiedlichen Bauphasen zuzuordnen sind:
1) Der älteste Mörtel ist rosa und z. B. am Donjon verarbeitet. Er enthält dunkelrote Sandsteinchen, Holzkohle und Kalkstückchen.
2) Der zweitälteste Mörtel ist überwiegend braun und teilweise lehmig, in größeren Flächen jedoch heller oder rosa. Charakteristisch ist sein uneinheitliches farbliches Erscheinungsbild; man hat zu seiner Herstellung verschiedene Sande genommen. Dieser Typ ist z. B. am Eckigen Turm zu finden.
3) Der vermutlich jüngste Mörtel ist vom vorangehenden oft schwer zu unterscheiden; seine Farbe ist graubräunlich, er ist jedoch wesentlich einheitlicher als jener. Er befindet sich z. B. in den Mauerstümpfen am Runden Turm.
Findet man nun in anderen Bereichen Mauern, die in einem bereits identifizierten Mörteltyp aufgeführt sind, kann man vermuten, daß diese Mauern der entsprechenden Bauphase angehören.
Diese Vorgehensweise führt, wie erwähnt, dazu, die relative Abfolge der Baubefunde und deren ungefähres Alter zu erkennen. Eine absolut genaue Datierung läßt sich so jedoch nicht erreichen. Nun stehen weiterhin schriftliche Quellen zur Verfügung, die ermöglichen, archäologische Befunde mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit bestimmten historischen Ereignissen zuzuordnen. Man kann sich dies folgendermaßen vorstellen: Archäologische und historische Quellen verhalten sich zueinander wie die Holmen einer auseinandergerissenen Leiter, bei der die Sprossen sich teils im einen, teils im anderen Holm befinden. Fügt man beide Holmen an der richtigen Stelle zusammen, so passen sich die Sprossen beiderseits ein, und man erhält wieder ein nutzbares Ganzes. Im Idealfall wohlbemerkt, denn an der vorliegenden "archäologisch-historischen Leiter" der Burg Kirkel fehlt bis jetzt so manche Sprosse, weil sie aus beiden Holmen herausgefallen ist: Dies kann geschehen durch die Zerstörung von Befundzusammenhängen, z. B. durch das Freilegen von Mauern ohne archäologische Untersuchung und Dokumentation der umgebenden Schichtanschlüsse oder auch durch das unsachgemäße Herausreißen von Fundobjekten, die dadurch nicht mehr zur Datierung herangezogen werden können.
Nach diesem kleinen theoretischen Exkurs sollen im Folgenden die
Ergebnisse der letztjährigen Grabung in stark geraffter Form
vorgestellt werden.
1994 ist zunächst die Untersuchung des Oberburgplateaus vollendet worden. Unter der Versturzmasse ist die letzte Fußbodenfläche des siebzehnten Jahrhunderts zum Vorschein gekommen. Hierbei hat es sich um einen teils verkohlten, teils vermorschten Dielenboden gehandelt, von dem eine dünne braune Schicht mit Holzkohleflecken erhalten geblieben ist. Mehrere Münzen Ludwigs XIV, die erst nach der Zerstörung der Burg geprägt worden sind, haben auf dieser Begehungsfläche gelegen und sind von der Schuttmasse überdeckt worden. Da eine dieser Münzen bereits stark abgegriffen ist und demnach vermutlich längere Zeit in Umlauf gewesen ist, kann man mit Sicherheit davon ausgehen, daß das ausgebrannte Gebäude noch Jahrzehnte nach dem Brand von 1689 soweit erhalten gewesen ist, daß Menschen in den Räumen umhergehen konnten und dabei offensichtlich den einen oder anderen Gegenstand verloren haben.
Außer dieser letzten Begehungsfläche sind zwei Säulenbasen gefunden worden, die in der Längsachse des Felsplateaus situiert sind. Mehrere flache Rinnen in der Felsoberfläche zeigen an, wo einmal Zwischenwände in Richtung O-W gestanden haben, die ca. 0,40 bis 0,50 m stark gewesen sind. Aufgrund dieser Stärke kann man auf ehemalige Stein- oder auch Lehmziegelwände schließen. Daß diese Wände während der letzten Nutzungsphase nicht mehr in dieser Form bestanden haben, zeigt die Begehungsfläche, welche die entsprechenden Felsrinnen überdeckt hat. Verputzreste an einer Säulenbasis und an der östlichen Felsinnenwand haben wahrscheinlich bereits zu einer älteren Bauphase gehört, denn ihre weiße Fassung reicht um 0,10 bis 0,15 m unter das Niveau der letzten Fußbodenfläche hinab.
Während man an der Ostseite den anstehenden Fels in die Mauer einbezogen hat, ist man an der Westseite anders vorgegangen: Dort hat man den Fels in der Breite der Mauer um ca. 0,50 m tief abgetragen. Das ist sicherlich deshalb geschehen, weil in diesem Bereich die oberste Felsschicht durch ihre weiche Beschaffenheit als ungünstige Unterlage der zu errichtenden Mauer angesehen worden ist. Durch die intensive Entnahme von Steinmaterial sind weder die östliche noch die westliche Außenmauer des Gebäudes vollständig in Richtung Süden verfolgbar. Die Mauer der älteren Bauphase reicht an der Ostseite bis an den heutigen Zugang zur Oberburgfläche. Sie ist auf der Höhe des Schachtes und weiter südlich davon komplett ausgebrochen, jedoch hat sich der entsprechende rosa Mörtel dieser Mauer wieder am südöstlichen Ende des Plateaus neben dem Runden Turm auf der Felsoberfläche nachweisen lassen. Die westliche Außenmauer ist noch stärker abgebaut worden: Außer wenigen Quadern vor dem Eckigen Turm ist sie nur noch da erhalten, wo sie die bereits 1993 entdeckte ältere Eintiefung am Rand des Felsplateaus ausfüllt. Über diese Mauerfüllung hinweg bis zum südlichen Ende neben dem Runden Turm ist eine geringe Mörtelspur auf der Felsfläche erhalten, die zu einer jüngeren Bauphase gehört. Die Felsoberfläche selbst hat nicht überall das gleiche Niveau. Am höchsten steht sie im mittleren Bereich an, weiter nördlich ist eine größere Felskluft durch Steine ausgefüllt gewesen, und auch die Mauerfläche der älteren Bauphase dient dem Niveauausgleich des Felsplateaus.
Im südlichen Teil des Plateaus ist der Fels abgetieft worden;
dort, wo heute der Runde Turm steht, hat sich ein Raum auf ca.
0,40 m niedrigerem Niveau befunden. Dieser Raum ist planiert und
dadurch die Umgebung des Runden Turmes an das höhere Niveau
der restlichen Felsfläche angepaßt worden. Während
die Fläche zwischen dem Schacht und dem Runden Turm nur mit
durchwühlter Versturzmasse bedeckt gewesen ist, sind durch
die Planierung des älteren abgetieften Raumes einige interessante
Befunde sowie Fundobjekte erhalten geblieben: Bei diesem Raum
hat es sich wahrscheinlich um eine Küche gehandelt; davon
zeugt das Mauerfundament eines Rauchfangs oder Kamins, zahlreiche
angeschmauchte Backsteine von dessen Vermauerung sowie der Versturz
eines Napfkachelofens und viele Brandreste. Hier haben sich zahlreiche
Knochen von Fleischspeisen erhalten; auch Fischgräten und
Schuppen sowie Samenkörner sind in diesen Schichten gefunden
worden. Viele Scherben von Kochgefäßen und verschiedene
Eisenfragmente stammen aus diesem Bereich, die in näherem
Zusammenhang mit der Zubereitung von Mahlzeiten zu sehen sind,
wie z. B. Haken zum Aufhängen von Kesseln über dem Feuer
oder auch ein fragmentarischer Griffbügel eines solchen Kessels.
Außergewöhnlich sind die Funde eines kleinen Spielwürfels
und eines zerbrochenen Läusekamms, beide aus Knochen gefertigt,
die ebenfalls im Küchenbereich gefunden worden sind.
1) Im Mauerwerk der ältesten nachweisbaren Anlage befinden sich Spolien eines oder mehrerer früherer Gebäude, wozu vermutlich auch verschiedene Zuarbeitungen im Fels gehören. Über Ausdehnung und Form dieses Vorgängerbaus bzw. dieser Bauten sowie über die Datierung ist nichts bekannt.
2) Der Donjon, das älteste archäologisch faßbare Gebäude, entspricht aufgrund der Bearbeitung der Steine wohl dem dreizehnten Jahrhundert. Man kann annehmen, daß hier ein Neubau der Grafen von Saarwerden vorliegt, die bekanntlich 1251 mit der "Reichsveste" Kirkel durch König Konrad IV. belehnt worden sind. Zu dieser Zeit hat wohl ein Gebäude mit halbrundem nördlichem Abschluß auf dem Plateau bestanden, das nicht bis zur äußersten nördlichen Spitze gereicht, wahrscheinlich jedoch die Fläche bis an ihr Südende vollständig überdeckt hat.
3) Die nächste Bauphase ist wahrscheinlich um 1400 zu datieren, nachdem die Grafen von Zweibrücken-Bitsch (1391) die Burg als Lehen übernommen haben. In dieser Zeit ist die Kranmulde eingetieft worden, um Baumaterial hinaufzubefördern, das unter anderem zur Errichtung des Eckigen Turmes gedient hat. Auch die Fundamentierung eines Rauchfanges in der Küche gehört zu dieser Bauphase. In der Verfüllung der Kranmulde und im Bereich der Küche sind Gefäßscherben gefunden worden, die man in das späte vierzehnte und eventuell frühe fünfzehnte Jahrhundert datieren kann. Diese Baumaßnahme verlängert das Gebäude über den halbrunden nördlichen Abschluß hinaus bis zum Ende der Fläche; der Turm des Donjon ist wahrscheinlich abgetragen und stattdessen der Eckige Turm errichtet worden.
Wann der Runde Turm gebaut worden ist, ist zur Zeit nicht zu ermitteln, da seine Fundamente von der heutigen Oberfläche aus anläßlich seiner Restaurierung in unserem Jahrhundert aufgegraben worden sind. Es ist jedoch sicher, daß die Küche an dieser Stelle aufgegeben und eingeebnet worden ist. Als man den Turm errichtet hat, ist wahrscheinlich der Küchenschutt nur für dessen eigentliche Grundfläche beseitigt worden.
4) Dem Umbau des späten sechzehnten Jahrhunderts kann
man eindeutig den erwähnten Fußboden zuordnen. Zu dieser
Bauphase gehören vermutlich auch die Reste des aufgehenden
Mauerwerkes am Runden Turm.
Die Betrachtung der alten Mauerteile ermöglicht Aussagen
über das Gebäude, das ehemals daran angebaut gewesen
ist: Am Runden Turm ist nach der Freilegung der Antritt einer
Treppe sichtbar geworden, die an der Turmmauer von Westen nach
Osten steil hinaufführt und am Kragstein der ersten Etage
endet. Zum nächsthöheren Stockwerk wendet die Treppe
wahrscheinlich wieder nach Westen. Auch die ehemaligen Stockwerke
lassen sich am Runden Turm erkennen. Da dort auch die Anschlüsse
beider Dachflächen noch teilweise erkennbar sind, ist die
Höhe des Firstes annähernd zu ermitteln, so daß
man das Gebäude in groben Umrissen rekonstruieren kann. Der
Zugang zum Runden Turm hat sich ehemals unter dem First befunden
und ist bei der Restaurierung zugemauert worden
Außer der Oberburg ist auch eine alte Sondage des Förderkreises (Sondage 3) untersucht worden. In der kleinen Fläche, die erneut freigelegt worden ist - hier ist der nachgerutschte Hangschutt beseitigt worden - zeigen sich interessante Befunde: Eine Mauer, die parallel zum Hang verläuft, ist im Mörteltyp des Donjon errichtet worden. Man kann vermuten, daß auch sie zur Bauphase des dreizehnten Jahrhunderts gehört. Eine zweite Mauer stößt die Erste im spitzen Winkel. Sie weist den Mörtel des fünfzehnten Jahrhunderts auf. Dieser Mörtel quillt reichlich zwischen den Quadern hervor: Offensichtlich ist diese Mauer nicht als sichtbare Wand für einen, zu Wohnzwecken genutzten Raum, sondern allenfalls für einen Keller- oder Lagerraum bestimmt gewesen. Das Profil der anstehenden Schichten zeigt zuunterst ca. 0,20 m Sand und darüber feste braune Erde - eine vermutliche Begehungsfläche. Oberhalb dieser Schicht befindet sich lockerer Versturz mit großen Mauertrümmern. Aus dieser Fundstelle stammen zahlreiche Gefäßscherben, Ofenkacheln und Knochen. Auf dem Grundrißplan des siebzehnten Jahrhunderts kann man an dieser Stelle einen großen, mit der Ziffer 3 bezeichneten Gebäudetrakt lokalisieren. Da das Abraummaterial an dieser Fundstelle zur Zeit nicht beseitigt werden kann, ist dort noch nicht weitergegraben worden. Es handelt sich jedoch zweifellos um eine interessante Fundstelle, die einer eingehenden Untersuchung bedarf.
Fundstelle 4
Die Grabung ist neben der heutigen Zugangstreppe zur Oberburg auf der zweithöchsten Ebene der Burg fortgesetzt worden, um die Ruine des Palas und dessen Umgebung freizulegen. Hierbei ist man zunächst auf ein Gebäude (Fundstelle 4) gestoßen, dessen zwei erfaßte Mauern noch bis zu 1,30 m hoch anstehen. Das Mauerwerk ist 0,85 m stark und mit sorgfältig behauenem Quaderwerk an seiner nordwestlichen Außenecke versehen. Daran befindet sich weiß gefaßter Putz. Die verwendeten Steine scheinen überwiegend sekundär verbaut worden zu sein. Der Mörtel entspricht ungefähr demjenigen des fünfzehnten Jahrhunderts.
In diesem Bereich ist der anstehende Sandstein sehr weich und rot; er weist verschiedene Rinnen und kleine Eintiefungen auf, die wahrscheinlich zu einem noch früheren Gebäude gehört haben. Möglicherweise ist auch die O-W orientierte Mauer des Gebäudes auf einem älteren Mauerstumpf errichtet worden, wie der sich ungleichmäßig erweiternde Sockel der Mauer vermuten läßt. Im Inneren dieses Gebäudes ist kein Fußboden gefunden worden, sondern nur Versturzmasse. Auf dem Felsboden hat sich eine braune Schicht befunden, welche die Rinnen in der Felsoberfläche ausgefüllt hat. Auf und in dieser Schicht ist die Gebäudemauer errichtet worden. Der zugehörige Fußboden hat sich wahrscheinlich ca. 25 cm oberhalb des Felsens befunden, wie Mörtelnasen und geringe Putzreste vermuten lassen. Innerhalb der Versturzschichten der Fundstelle 4 haben sich Überreste eines Ofens aus gotischen Nischenkacheln befunden, von denen noch ein Teil im anstehenden Schuttmaterial verborgen ist. An die Ecke dieses Gebäudes sind zwei Mauern angefügt worden, und zwar eine in Richtung O-W und die andere in Richtung N-S. Beide sind ebenfalls aus wiederverwendeten Steinen konstruiert worden. Während die von Ost nach West verlaufende Mauer die Fundstellen 6 und 13 trennt, teilt die andere die Fundstellen 5 und 6.
Fundstellen 5 und 6
In Fundstelle 5 hat man anscheinend zum Ausgleich des weichen Felsbodens in einer Mulde Steine als Fundament eines Pfeilers oder einer Säule in einem Mörtelbett verlegt. Auch hier lassen sich über die Art des Mörtels wieder Verbindungen zur Bauphase des dreizehnten Jahrhunderts herstellen. Auf dem Fels hat sich eine rosa Sandschicht befunden. Dort sind mehrere Porphyrtrümmer gefunden worden - ein importiertes Gestein. In der benachbarten Fundstelle 6 hat zuunterst eine ungleichmäßig dicke, völlig aufgeweichte Mörtelschicht (Mörteltyp des dreizehnten Jahrhunderts) gelegen, in welche große Spolien in lockerer Streuung eingebettet gewesen sind. Eine Verbindung zu den umgebenden Mauern existiert nicht. Die großen eingebetteten Steine haben den Mörtel überragt und sind von einer 0,20-0,30 m dicken Schicht brauner Erde abgedeckt worden, bei der es sich vermutlich um eine Begehungsfläche gehandelt hat. Für Mauer 5.2 sind unterschiedlich große Quader teils hochkant ohne Mörtel auf den Felsboden gestellt worden. Erst die zweite Steinlage ist vermörtelt, und zwar mit einem hellgraubräunlichen Mörtel, der zur Zeit noch nicht sicher eingeordnet werden kann, möglicherweise aber dem jüngsten Mörteltyp zugeordnet werden kann. Im Versturz, der diese Fundstellen überdeckt und am Hang bis zu 4,5 m Höhe ansteht, haben sich im Bereich von Fundstelle 5 gotische Formsteine befunden, unter anderem von Gewölbegraten und Fenstern. Der Schutt hat zunächst Mauer 5.2 hinterfüllt. Nachdem diese ausgebrochen worden ist, ist weiteres Versturzmaterial von der Oberburg aus über die Lücke hinweg auf Fundstelle 5 gerutscht. Zahlreiche verfüllte Gruben deuten darauf hin, daß ebenso wie auf der Oberburg hier immer wieder Schatzgräber tätig waren und auch Baumaterialien entnommen worden sind.
Fundstelle 3
Der letzte, in dieser Grabungskampagne entdeckte Baubefund ist
eine mehr als 1,50 m breite Mauer in Richtung S-N, an welche die
Mauer 5.2 stößt. Auf dem französischen Plan, der
noch zu Zeiten der bestehenden Burg angefertigt worden ist, kann
man an dieser Stelle die Südmauer des Palas zu lokalisieren.
Auch sie ist stark ausgebrochen. Vorläufig darf man vermuten,
daß innerhalb dieser massiven Mauer ein Durchgang westlich
von Mauer 5.2 angeschnitten worden ist; hier befindet sich eventuell
ein Prellstein. Diese Mauer inkorporiert den anstehenden Sandsteinfelsen
und besteht hinter der ausgebrochenen Schale aus einer Füllung
mit sehr viel rosa Mörtel (vermutlich des dreizehnten Jahrhunderts);
der Sandstein weist lange bogenförmige Hiebspuren auf, welche
eventuell noch romanischen Ursprungs sein könnten. Die obersten
erhaltenen Steinlagen sind in graubräunlichem Mörtel
der jüngsten Bauphase aufgeführt, so daß man davon
ausgehen kann, daß auch diese Mauer nicht nur einer einzigen
Bauphase zuzuordnen ist.
Soweit zu den Baubefunden.
Die Ofenkeramik
Interessant ist der Komplex der Ofenkeramik: Es sind auf der Burg Kirkel praktisch sämtliche bekannten Kachelformen verwendet worden. So hat man im Schacht grob geformte zylindrische Röhren- und Becherkacheln gefunden, die dort hineingeworfen worden sind. Im Bereich der Küche sind mindestens vierzehn konische Näpfe aus grauer Irdenware entdeckt worden, die von einem zerschlagenen Napfkachelofen stammen. In der Scherbenkollektion des Förd erkreises, die aus Fundstelle 2 stammt, befinden sich Teile von Tellerkacheln. Fragmente quadratisch ausgeformter Schüsselkacheln stammen sowohl aus Fundstelle 2 als auch aus der Küche auf der Oberburg. Diese unglasierten Röhren-, Becher-, Napf- und Tellerkacheln sind die ältesten Formen der Ofenkeramik, die sich in ihrer Gestaltung noch an Speisegefäße anlehnen.
Anders die rechteckigen gotischen Nischenkacheln, deren Aussehen der Architektur angeglichen ist. Es sind der Länge nach halbierte Zylinder mit einem vorgesetzten ausgeschnittenen Blatt, welches mit floralem oder geometrischem Reliefdekor versehen ist. Diese Kacheln sind grün glasiert.
Jünger als diese sind die grünglasierten Reliefkacheln mit geschlossenem Blatt und figürlichen Darstellungen, welche zu Beginn des 16. Jahrhunderts die Nischenkacheln ersetzt haben. Sie sind auf der Burg bislang relativ selten. Dunkelbraun bis schwarz glasierte oder graphitierte Reliefkacheln haben sich in einzelnen Scherben an vielen Stellen gefunden. Sie haben zu Öfen mit eisernem Ofenkasten gehört und sind teils mit Architekturelementen und teils figürlich verziert. Dies sind die jüngsten Kacheln, die ab der Mitte des 16. Jahrhunderts verwendet worden sind.
Die Gefäßkeramik
Die Gefäßkeramik läßt sich durch unterschiedliche
Bearbeitung in mehrere Gattungen einteilen: Es sind verschiedene
Irdenwaren, Steinzeug und sehr wenige Fayence- und Porzellanscherben
gefunden worden; letztere sind vermutlich alle erst nach dem siebzehnten
Jahrhundert auf die Burg gelangt.
Die frühesten Funde stellen einige römische Scherben
dar, die allerdings nicht von der Grabung selbst stammen, sondern
am untersten Bering aufgelesen worden sind.
Besonders häufig vertreten sind Scherben von grauer geschmauchter
Irdenware. Der ältesten Form entsprechen kugelige Tüllentöpfe,
die wahrscheinlich zu Beginn des dreizehnten Jahrhunderts angefertigt
worden sind. Derartige Gefäße stammen aus der Verfüllung
des Schachtes. Auch einige Gefäßfragmente mit plastischen
Fingertupfen- oder Kerbleisten, Ritzlinien- oder Rädchendekor
sind gefunden worden, deren Herstellung man ebenfalls im dreizehnten
Jahrhundert vermuten kann.
In den meisten Fällen gehören die Scherben zu schlanken
Krügen mit gerillter Schulter und umgeschlagenem Rand; diese
entsprechen dem gotischen Formenpfinden und können in das
vierzehnte und fünfzehnte Jahrhundert datiert werden. Seltener
sind weitmundige Schüsseln.
Diese reduzierend gebrannte, graue Irdenware stammt vermutlich
aus einheimischer Produktion und ist bis in das frühe sechzehnte
Jahrhundert hergestellt worden.
Oxidierend gebrannte Irdenware ist hell- oder rottonig. Am ältesten ist eine Scherbe von sog. Pingsdorfer Ware aus dem Schacht; sie kann ungefähr auf 1200 datiert werden. Einige an der Außenseite glasierte Krüge können vermutlich in das 14. Jahrhundert eingeordnet werden; sie stammen ebenfalls aus dem Schacht. Außergewöhnlich ist das Fragment eines frühen malhorndekorierten Gefäßes. Vermutlich sind diese frühen glasierten Irdenwaren im Raum Metz gefertigt worden . Daneben kommt rote oder ockerfarbene Irdenware vor, die ab dem sechzehnten Jahrhundert überwiegend von einheimischen Töpfern gefertigt worden ist. Ihr Formengut umfaßt neben innenglasierten hohen Krügen auch sog. Grapen, kleine Dreibeintöpfe mit Stiel. Weiterhin gibt es dreibeinige Siebtöpfe, die z. B. zur Käseherstellung gedient haben können. Meist etwas jünger sind beidseitig glasierte Krüge, Teller und die malhorndekorierte Irdenware. Letztere stellt ein teureres Geschirr dar, welches vermutlich importiert worden ist. Auf der Burg sind Scherben malhorndekorierter Schalen, Teller und Schüsseln gefunden worden, die aber teilweise aus jüngeren Gruben stammen.
Das Steinzeug ist seit dem dreizehnten Jahrhundert neben der Irdenware vertreten und greift deren Formengut auf; es gibt Krüge, Flaschen und Tassen aus diesem Material. Am ältesten ist dunkelbraunes Frühsteinzeug. Bis zum fünfzehnten Jahrhundert ist das Steinzeug teils mit Mangansinterglasur überzogen. Jünger ist salzglasiertes graues Steinzeug. Salzglasierte Krüge mit kobaltblauem Dekor sind überwiegend erst seit dem siebzehnten Jahrhundert gefertigt worden und finden sich daher auf der Burg Kirkel meist in jüngeren Fundzusammenhängen. Das Steinzeug ist zumindest teilweise als Importware aus der Eifel und dem Westerwald anzusehen, z. B. aus Raeren und Siegburg.
Tabakpfeifen
Eine weitere Gruppe von Keramikprodukten stellen die weißen tönernen Tabakpfeifen dar, die seit den dreißiger Jahren des siebzehnten Jahrhunderts im europäischen Raum hergestellt worden sind. Neben einfachen Pfeifen kommen solche mit geometrischen Ritzmustern vor oder auch Exemplare mit plastischem Blumendekor. Ein Pfeifenkopf ist als weibliches Gesicht ausgeformt, das dem Raucher zugewandt gewesen ist. Die ältesten Pfeifen stammen wahrscheinlich aus den Niederlanden. Interessant ist, daß die Pfeifen zum Teil auf der Ferse mit Herstellermarke und auf einer Stielbanderole mit dem Fertigungsjahr versehen worden sind. So sind unter den Kirkeler Funden ein Hersteller in Mannheim und ein weiterer in Frankenthal zu identifizieren .
Glas
Die vorhandenen Glasreste sind stark verwittert und fragil. Da die Fragmente auch sehr klein sind, können sie vorläufig kaum interpretiert werden. Nur wenige Scherben stammen von Glasgefäßen; sie zeugen von feinen Trinkgläsern mit Nuppen oder Beerenauflagen. Es gibt auch Reste gefärbter Gläser. Aus farbigem Glas sind auch kleine ringförmige Perlen und eine runde blaue Perle hergestellt worden.
Weitere Funde
Darüberhinaus ist eine Vielzahl von Objekten aus verschiedenen
Materialien gefunden worden, die an dieser Stelle nur summarisch
vorgestellt werden können.
Würfel aus Knochen oder Geweih zeugen vom Zeitvertreib der
Burgbewohner. Ein Kammstück aus Knochen hat vermutlich zum
Entfernen von Läusen gedient.
Zahlreich sind die Metallgegenstände, die in den unterschiedlichsten Lebensbereichen verwendet worden sind: Von Büchern stammen Beschläge und Schließen aus Bronze. Verschiedene hohle Metallknöpfe sind möglicherweise an Soldatenuniformen befestigt gewesen. Auch von Waffen und Munition sind Relikte vorhanden. Viele Bleikugeln unterschiedlichen Kalibers sind auf der Burg hergestellt worden; manche von ihnen tragen noch Gußzapfen. Aus dem Schacht stammt ein Teil einer Kugelgußform aus Sandstein, welche die Fertigung der Kugeln vor Ort belegt. Von der Verteidigungstechnik früherer Jahrhunderte zeugen eiserne Armbrustspitzen.
Münzen
Münzfunde sind archäologisch besonders interessant,
wenn sie aus abgeschlossenen Schichten stammen und dadurch zur
Datierung dieser Schichten herangezogen werden können. Die
Münzen der Burg Kirkel jedoch sind zum größten
Teil erst nach der Zerstörung der Burg geprägt worden
und haben sich in den oberen Versturzlagen oder im rezenten Humus
befunden. Besonders häufig sind Straßburger Prägungen
Ludwigs XIV von 1696. Wenige Brakteaten und ein Heller stammen
wohl noch aus dem Spätmittelalter. Hier bedarf es noch der
Auswertung durch Münzexperten, ehe man Aussagen zur Datierung
treffen kann.
Die Burg Kirkel ist zudem ein lebendiges Beispiel für die Verbindung französischer und deutscher Geschichte und insbesondere derjenigen des sarländisch-lothringischen Raumes: Der erste erwähnte Graf Gottfried von Kirchela (1075) entstammte dem Hause Lunéville. Ab dem dreizehnten Jahrhundert war die Burg im Besitz der Grafen von Saarwerden, die das Geschlecht der Herren von Kirkel begründet haben. Nach dem Tode Johanns IV ist Kirkel als Lehen an die Herzöge von Zweibrücken-Bitsch gefallen (1391). Im Verlauf der Reunionskriege Ludwigs XIV geriet die Burg unter französische Besatzung, durch sie sie letztendlich auch zerstört worden ist (1689). In diesem Sinn sollte man die Erforschung und Restaurierung dieses gemeinsamen Kulturerbes als ein besonderes Anliegen im "Europa der Regionen" betrachten, um zu zeigen, wie stark die Entwicklung unseres Lebensraumes durch alle Zeiten sowohl von deutscher als auch französischer Seite geprägt worden ist.
Christel Bernard, Februar 1995