Text und Fotos: Christel Bernard, Februar 1997
Der folgende Bericht ist in der Zeitschrift "Saarpfalz", 1997
Heft 1, veröffentlicht worden.
Seit 1995 wird die Untersuchung auf der ersten Beringebene im Südosten und Osten der Oberburg fortgesetzt, wo man bereits im Herbst 1994 Ausschnitte von verschiedenen Gebäuden freigelegt hatte. Im Gegensatz zur Erforschung des Oberburgplateaus geht die Arbeit hier wesentlich langsamer voran, weil die Flächen von 4–8 m hohen, lockeren Schuttmassen überdeckt sind. Die Ausgrabung erfolgt in zwei getrennten Abschnitten, und zwar im Bereich der modernen Treppe zur Oberburg und von dort aus in Richtung Süden sowie weiter nordöstlich im Bereich des Palas.
Die Ergebnisse der Ausgrabung 1995/1996 im Überblick [↑]
Östlich des Felsmassivs der Oberburg werden die Reste des Palas untersucht. Dort befindet sich ein Raum mit zwei Toren, der an den Fels angebaut ist und nach Süden und Osten von sehr dicken Mauern umgeben ist. Die Bauzeit dieses Gebäudes ist anhand von Bauakten mit großer Wahrscheinlichkeit an das Ende des 16. Jahrhunderts zu datieren. Der Palas überdeckt ältere Mauern, vor denen im 15. Jahrhundert eine Abfallhalde entstanden ist. Eine Untersuchung der Mauern hat ergeben, daß verschiedene ältere Bauteile in den Bau des Palas integriert worden sind. Das Gelände ist im untersuchten Bereich stark nach Norden abfallend, und auch das Raumniveau hatte sich dem Gefälle angepaßt. Durch den Palas führte anscheinend der vom äußeren Tor kommende Zugangsweg zur ersten Beringebene und zur Oberburg. Das noch nicht vollständig freigelegte nördliche Tor war eventuell unterteilt in einen Torbogen für Wagen und eine daneben befindliche mannbreite Türöffnung, wie die innere Raumunterteilung vermuten läßt. Das südliche Tor ist schon älter als der Palas und wurde äußerlich mit neuen Sichtflächen versehen, ebenso die Außenseite der südlichen Abschlußmauer. Von der Pflasterung des Torweges sind in diesem südlichen Tordurchgang noch kleine Flächen erhalten. Der Weg ist auch weiter südlich noch anhand der stellenweise verbliebenen Pflasterung nachweisbar; er führte zwischen Gebäuden und der mit Quadermauerwerk verblendeten Oberburg zum südwestlichen Bereich der ersten Beringebene, wurde aber später durch eine Mauer unterbrochen. Im unmittelbaren südlichen Anschluß des Palas ist das Treppenhaus zur Oberburg gefunden worden, welches über drei schmale, teilweise in den Fels eingeschlagene und teilweise aus Holz gezimmerte Treppenläufe nach oben führte. Auch diese Treppe ist im späten 16. Jahrhundert renoviert worden. Gegenüber von diesem Treppenhaus zweigt ein schmaler Gang vom Hauptweg ab, der nach Osten verläuft und eventuell den Zugang zu Gebäuden oder der nächsttieferen Beringebene ermöglichte.
In der folgenden Ausgrabungskampagne wird man sowohl die Untersuchung dieses südlichen Palasraumes vollenden als auch die Ausgrabung im Süden der ersten Beringebene mit den bereits angeschnittenen Gebäuden fortsetzen.
Freigelegte Bereiche der ersten Beringebene und des Palas von Burg Kirkel [↑]
Am linken Bildrand befindet sich die Oberburg, deren Felsverkleidung mit Quadern in unterschiedlichem Grad erhalten ist (punktierte und durchgezogene Linien). Der Höhenunterschied zwischen dem Plateau der Oberburg zu Raum FST 3 im Palas beträgt ca. 10 m.
Der Palas [↑]
Der Arbeitstitel "Palas" bezeichnet ein Gebäude
mit wehrhaften Mauern, das sich östlich an die Oberburg anschmiegt.
Die Ruine dieses Hauses erkennt man noch auf der Lithografie von
Neumann/Dubois "Sch. Kirkel bei Neuhäusel" von
ca. 1820, welche die Burg von der Ostseite zeigt. Es handelt sich
aller Wahrscheinlichkeit nach um den repräsentativen "Neuen
Bau", den Herzog Johann I gegen Ende des 16. Jahrhunderts errichten
ließ.
(Anm.: David Ecker, Kirkel- Neuhäusel
und seine Burg, 1928, 62)
Seit 1995 wird östlich des Oberburgfelsens der südlichste
Raum des Palas untersucht. Die Untersuchung ist zur Zeit noch
nicht abgeschlossen. Dieser Raum (FST 3) ist ungefähr rechteckig,
in Richtung Nord-Süd ca. 5–6 m lang und in Richtung Ost-West
ca. 5,50 m breit.
(Anm.: Mit Fundstelle (FST) werden
in der archäologischen Dokumentation z.B. Mauern, Schichten,
Räume in Nummern erfaßt.)
Im Süden wird er begrenzt von einer ca. 2,20 m dicken Mauer
(FST 3-1), die einen Felsbereich einbezieht. Insgesamt scheint
diese Mauer sehr lange bestanden zu haben und viele Male ausgebessert
und umgebaut worden zu sein. Sie muß bereits früh zu
einem wesentlichen Bestandteil der Anlage gehört haben. Die
Nordseite der Mauer besteht aus grob geglätteten Hausteinen.
Ihre südliche Schale ist abgerissen. Diese fehlende Mauerschale
hat vermutlich aus Quadern bestanden. Man erkennt die Stärke
der nicht mehr vorhandenen Schale an einem flachen, ca. 0,60 m
breiten Graben, der sich an die südliche Mauerseite anschließt
und ca. 5 cm tief in den Felsboden eingeschlagen worden ist. Er
diente zur Aufnahme der Quader.
(Anm.: Unter anderem waren
auch auf der Oberburg solche flachen Gräben nachweisbar,
die zum Setzen der Quader dienten, so z. B. erkennbar im Verlauf
der nordwestlichen Schale des Donjon, wo die Buckelquader ausgebrochen
sind.)
Ein interessantes Detail bietet hier einen Einblick in die Vorgehensweise
der Bauleute: Entlang des Grabenrandes befindet sich ein 1–3 cm
schmales schwarzes Band, welches leicht unregelmäßig
bis gerade verläuft und aus einzelnen, dicht aneinander anschließenden
Streifen von jeweils 3–5 cm Länge besteht. Beim Ausnehmen
der Grabenfüllung ließ sich die dunkle Verfärbung
nach unten verfolgen. Wie es sich herausstellte, handelt es sich
bei den kurzen, aneinander anschließenden Streifen jeweils
um vergangene Holzlättchen, die mit ihrem zugespitzten Ende
leicht schräg und ca. 10 cm tief entlang der Felskante in
den relativ weichen roten Sandstein eingeschlagen worden sind.
Man kann vermuten, daß dies vor dem Setzen der Quader geschehen
ist und ein Hineingleiten der Quader ohne Beschädigung der
Felskante ermöglichen sollte. Wahrscheinlich wollten die
Handwerker vermeiden, daß während des Errichtens der
Mauer Brocken vom weichen Fels abbrachen, unter die Quader rutschten
und dadurch eine ungleichmäßige Höhe der Steinlage
bewirkt hätten. Nach dem Setzen der Quader sind diese Hölzer
abgebrochen worden.
In dieser Mauer befindet sich eine Toröffnung (FST 3-6), deren östliche Laibung im unteren Bereich noch in Höhe von maximal zwei Steinlagen besteht. Am südlichen Ende ist ein sorgfältig gearbeiteter und verzierter Prellstein erhalten.
Die Reste des eingestürzten Tores lagen im Durchgangsbereich. Von der westlichen Laibung ist außer dem Abdruck des fehlenden Prellsteins im Mörtel, geringen Mörtelresten an der Felswand und einem Mauerstumpf (FST 3-2) nichts erhalten. Aufgrund der Mörtelbeschaffenheit kann man davon ausgehen, daß dieses Tor zu einer früheren Bauphase gehört und anläßlich der Errichtung des Palas renoviert worden ist.
Der Raum des Palas wird nach Westen durch die Felswand der Oberburg
begrenzt; dieser Fels wird durch eine Mauer FST 3-3 verkleidet.
Sie besteht aus einer Schale sorgfältig behauener Quader
mit Setzmarken in Form römischer Zahlen und einer Hinterfüllung
aus kleinen Bruchsteinen. Diese Mauer ist im oberen Bereich komplett
ausgebrochen. Erhalten sind ihre Quader ab T -8,30 m Tiefe.
(Anm.: Zu Beginn der Ausgrabung wurde im Herbst 1993 der
höchste Punkt der Schuttlagen auf der Oberburg am Runden
Turm vermarkt. Er befindet sich ca. 1 m oberhalb der Felsoberfläche
und wird als Niveau T 0,0 m bezeichnet. Alle Tiefenangaben im
Text beziehen sich auf diesen Punkt.)
Im unteren Bereich ist ein grauer bis brauner Mörtel dick und unregelmäßig an die Mauer angeworfen, so daß ein ungleichmäßiger, bis ca. 0,20 m weit vorkragender Wulst von ca. 0,20–0,30 m Höhe entstanden ist. Diese Mauer endet ca. 5 m weiter nördlich an einem zweiten Tor.
Das Tor weist eine lichte Weite von 4,20 m auf, könnte jedoch eventuell nochmals unterteilt gewesen sein. Von diesem Tor (FST 3-5) ist die westliche Laibung in drei Lagen großer, sehr sorgfältig geglätteter Quader erhalten. Beim Abbruch der Ruine hat man versucht, den obersten der heute dort noch vorhandenen Quader herauszuwuchten. Nachdem man ihn ein Stück gedreht hat, hat man den schweren Stein jedoch vor Ort belassen. Im zweiten Quader von oben befindet sich raumseitig eine Eintiefung eventuell zur Aufnahme eines Balkenriegels. Ein auf diesem Quader angebrachtes Steinmetzzeichen - übrigens das erste, das im Laufe der Grabung entdeckt worden ist - zeigt starke Parallelen zu einem Zeichen, welches sich auf einem, von der Lemburg stammenden Steinfragment befindet. Die Nordostecke der Laibungsquader weist einen Falz von ca. 0,16–0,18 m auf. Im Sockelquader unterhalb des Falzes ist eine in Richtung West-Ost verlaufende Nut eingetieft, welche aber nachträglich beschädigt ist. Nach Norden sind die Sockelquader abgeschrägt. Von der gegenüberliegenden Torlaibung hat sich nur die unterste Quaderlage mit der identischen Schmiege zur Nordseite und der ebenfalls beschädigten Nut gefunden.
Den östlichen Raumabschluß bildet Mauer FST 3-4 mit einer Schale aus Quadern, die denjenigen der Felsverkleidung (FST 3-3) entsprechen. Sie hat im aktuellen Zustand der Freilegung eine gestaffelte erhaltene Höhe von über 3 m, ohne daß bislang ihre Unterkante erreicht worden ist . Auch diese Mauer ist mehrphasig, wie sich an ihrer freigelegten Abbruchfläche erkennen läßt: Östlich befindet sich das ca. 0,55 m starke Mauerwerk FST 3-11 mit einer weiß gefaßten Putzkante an der Westseite; ab dort ist die Mauer um ca. 1,70 in Richtung Westen verbreitert worden (FST 3-4) und findet ihren Abschluß in der erwähnten Quaderschale, so daß die Gesamtstärke dieser Mauer ca. 2,25 m beträgt. Vermutlich setzt sie im Süden stumpf an die Palasmauer FST 3-1 an. Etwa auf halber Länge ihres Verlaufes weist sie eine schräge Nische auf; der fehlende Sohlquader fiel zum Raum hin schräg ab. Man könnte dies als den Rest eines Lichtschachtes deuten.
Ab einer Tiefe von T -10,10 m ist die Mauer FST 3-4 um eine ganze Quaderbreite stärker als oben. Diese Quader entsprechen denjenigen des oberen Mauerbereiches vollkommen und schließen bündig mit dem geschmiegten Torsockel ab. Die Mauer FST 3-4 erweckt den Eindruck, als habe auf dieser breiten Mauervorlage eine Balkendecke aufgelegen. Ab dieser Tiefe wird der Raum des Palas durch weitere Mauerzüge weiter unterteilt, und zwar zunächst durch eine Ost-West verlaufende, stark ausgebrochene Mauer FST 3-8, welche den tieferen nördlichen Raumbereich gegen den höher ansteigenden südlichen Bereich hin abstellt, indem sie dort vor Erdmassen gesetzt worden ist, auf die später noch genau einzugehen ist. Wie weit diese Mauer nach Westen verläuft, ist noch nicht abzusehen. An sie schließt eine ca. 1,10 m breite Mauer FST 3-12 wiederum in Richtung Norden an. Beide Mauern sind in einem Zuge mit den vorangehend beschriebenen und aus dem gleichen Material wie errichtet worden. Durch diese Einbauten wird vor der östlichen Mauer FST 3-4 ein schmaler Gang abgegrenzt. In welcher Tiefe der natürliche Felsuntergrund erreicht werden wird, läßt sich zur Zeit noch nicht absehen.
Soweit zu den Baubefunden, welche den untersuchten Raum begrenzen.
Das Rauminnere [↑]
Das Rauminnere war mit Schutt gefüllt, der noch nicht vollständig abgetragen worden ist. Diese Schuttmassen bestehen aus Sand, Mörtelbröckchen und überwiegend kleinen bis kopfgroßen und selten größeren Sandsteinen und stammen zum größten Teil von den ehemaligen Mauerfüllungen. Vergegenwärtigt man sich dieses Schuttvolumen, so gewinnt man einen Eindruck der immensen Baumassen, die hier früher bestanden haben und ihrer Mauerschalen beraubt worden und zerfallen sind.
Bis jetzt ist der Raumboden erst auf einer ganz geringen Fläche
freigelegt. Er ist im Tordurchgang (FST 3-6) mit einer teilweise
ausgebrochenen Pflasterung belegt. Im südlichen Bereich des
Raumes wurde eine dunkle, stark mit Holzkohle durchsetzte Schicht
erfaßt, die wahrscheinlich kurz vor dem Ende des 16. Jahrhunderts
die Oberfläche bildete. Das Niveau dieser Fläche senkt
sich vom südlichen Tor nach Norden.
Ältere Bauwerke und Schichten unter dem Palas [↑]
Beim Abbau dieser Erdmasse im südöstlichen Raumbereich
sind weitere Mauern zum Vorschein gekommen, deren nun freigelegte
Teile bereits verschüttet gewesen sind, als man den Palas
im späten sechzehnten Jahrhundert gebaut hat. Unter bzw.
nördlich vor der südlichen Palasmauer FST 3-1 verläuft
eine schräge Brüstungsmauer FST 3-9 in Richtung Ost-West,
deren Steinlagen durch den Druck darüberliegender Mauermassen
verschoben sind, so daß die Mauerfront ein schuppiges Aussehen
erhalten hat. Die Quader haben eine schräge Vorderseite,
sind relativ klein und nach ihrer Rückseite hin spitz zulaufend.
Im Osten, unter der östlichen Palasmauer FST 3-4, ist eine
weitere Mauer FST 3-10 nach Norden angefügt, deren Steine
ebenfalls vergleichsweise klein und flach sind. Eine Abbruchfläche
dieser Mauer ist nicht sichtbar, weil sich darauf der Fundamentbereich
der Palasmauer befindet. Die Sichtflächen beider Mauern sind
nur grob zugearbeitet. Wie Zusammensetzung und Gefälle der
untersuchten Schichten vor diesen Mauern zeigen, ist seit der
Mitte des 15. Jahrhunderts vor der Brüstungsmauer Abfall ausgeschüttet
worden. Nur die untersten Schichten enthalten größere
Werksteine, während in allen darüberliegenden Schichten
kleine Bruchsteine, Fragmente von Biberschwanzziegeln, Schieferplatten
sowie Flußkiesel vorkommen. Zwischen den Biberschwanzziegeln
befinden sich neben den üblichen mit gerundetem Abschluß
auch sogenannte Gotenschnitten mit spitz zulaufendem Abschluß,
wie sie seit dem 14. Jahrhundert verwendet worden sind. (Anm.:
Burghard Lohrum in: Stadtluft, Hirsebrei, Bettelmönch - Die
Stadt um 1300, Stuttgart 1992, 274.) Die Schichten sind mittelbraun,
grau bis schwarz und unterschiedlich fest; sie enthalten viel
Holzkohle und größere Mengen von grauer Asche in relativ
deutlich abgegrenzten Konzentrationen, die anscheinend aus Herdstellen
oder Öfen stammt und offensichtlich mittels eines Eimers
auf die Abfalldeponie entleert worden ist. Zahlreiche Knochen
von Mahlzeiten sind hier gelandet, ebenso zerbrochene Tongefäße
und gläserne Weinbecher. Wahrscheinlich sind auch Fäkalien
an dieser Stelle entsorgt worden.
Nachdem die Ablagerungen eine Mächtigkeit von ungefähr 0,50–0,60 m im Winkel vor den beiden Mauern FST 3-9 und FST 3-10 erreicht hatten, sind die Mauern beschädigt worden. Insbesondere die Brüstungsmauer FST 3-9, die vor diesem Zeitpunkt bereits die Verschiebung in ihrem Gefüge erfahren haben muß, weist an ihren schuppig hervorstehenden Quadern abgeschlagene Ecken auf, die man möglicherweise auf einen Beschuß der Mauern zurückführen kann. Diese Schadstellen sind mit kleinen Steinen und Stücken von Biberschwanzziegeln ausgezwickt worden. Anschließend hat man beide Mauern neu verfugt und dabei diese Reparaturstellen mit Mörtel ausgestrichen. Danach folgten noch weitere Müllablagerungen.
Es drängt sich natürlich die Frage auf, wann dies alles
geschehen ist. Auskunft hierzu erhält man über die in
den Schichten enthaltenen Funde, sofern deren Alter geschätzt
werden kann. Die Müllablagerung vor den Mauern hatte ihren
Anfang vermutlich in der Mitte des 15. Jahrhunderts, wie man aufgrund
der datierbaren Funde von zerbrochenen gläsernen Weinbechern
in den untersten Schichten schließen kann. Demnach müßten
die Schäden nach dieser Zeit eingetreten sein. Nach der Ausbesserung
hat man weiterhin Abfälle deponiert, bis die Mauern überdeckt
waren. Da die Funde in diesen folgenden Schichten auch noch in
das ausgehende 15. Jahrhundert datiert werden können, kann
man den Zeitpunkt des Geschehens wahrscheinlich auf die zweite
Hälfte dieses Jahrhunderts eingrenzen. Unbekannt bleibt bislang
jedoch das Alter der Brüstungsmauer FST 3-9 und der angefügten
Mauer FST 3-10.
Der nördliche Bereich des Palas
Nördlich von Tor FST 3-5 sind die Schuttmassen noch nicht
soweit abgetragen, daß man bereits Mauern erkennen könnte.
Es scheint, daß der Felsuntergrund in diesem Bereich nach
Norden weiter abfallend ist. Im Schutt befinden sich große
Buckelquader, die vom Donjon und vom Eckigen Turm der Oberburg
gestürzt sind.
Treppenhaus und umgebende Bereiche südlich des Palas [↑]
Südlich des Palas grenzt die bereits 1994 untersuchte Fläche
an. Hier wurde der Bereich zwischen den damals freigelegten FST
5, 6, 17 ff. und dem Felsmassiv der Oberburg ergraben. Der kleine,
bereits im Herbst 94 freigelegte Teil war zur Oberburg hin stellenweise
von 4,50 m hohen, lockeren Profilen umgeben, die als solche nicht
ohne Einsturzgefahr stehengelassen werden konnten. Darüber
hinweg führte die moderne Sandsteintreppe zur Oberburg. Zunächst
wurde diese Treppe mitsamt ihrer Stahlbetonarmierung entfernt.
Leider mußten auch zwei größere Bäume weichen,
die zwischen dieser Treppe und der Kante des Oberburgplateaus
gewachsen waren. Nach ihrer Fällung wurden die Schuttmassen
in diesem Bereich horizontal abgetragen und durchsiebt. Erfreulicherweise
zeigte sich, daß eine dunkle, graubraune Schicht unter der
modernen Treppe aus dem Schacht stammte: In dieser Erde fanden
sich anpassende Scherben zu den Gefäßen, die bereits
im vorigen Jahr aus den Scherbenfunden des Schachtes auf der Oberburg
zusammengesetzt worden waren und allgemein große Beachtung
fanden. Somit war ein weiterer Beweis erbracht, daß der
Schacht erst zu einem Zeitpunkt aufgegraben worden war, als der
Rest der Burg bereits in Schutt und Asche gelegen hatte.
Diese Ausgräber hatten anscheinend nur nach größeren
Schätzen oder ominösen Geheimgängen geforscht,
denn die "kleinen Schätze" hatten sie unbeachtet
hinausgeworfen: Scherben von im Saarland einmaligen Gefäßen,
kleine Silbermünzen und viele andere interessante Objekte
aus Mittelalter und früher Neuzeit.
(Anm.: Eine
Auswertung der Grabungsbefunde im Schacht und der dortigen Funde
ist in Arbeit.)
Unter dieser Schicht folgte fundarmer heller Schutt, der Lage
um Lage abgetragen wurde und allmählich die Umrisse des umgebenden
Felsmassivs freigab. Hier wurde der ehemalige Aufgang zur Oberburg
gefunden: In den Fels gehauene stufenartige Absätze, aber
ohne die ursprünglich aufliegenden Stufen, zeugen von einem
ummauerten Treppenhaus (FST 18) mit Zugang im Osten - die Schwelle
fehlt - und einer dreiläufigen Treppe: zunächst eine
Treppe mit Antritt im Süden, endend an einem Felspodest,
an das sich nach Osten der Mauerstumpf FST 32 anfügt, dort
der nächste Treppenlauf von Norden nach Süden, ebenfalls
in den Fels gehauen, dessen Wand dort senkrecht abgeschrotet ist,
endend in einem Podest aus Holz; Spuren verkohlter Balken waren
an einem entsprechenden Absatz der Felswand erkennbar. Schließlich
begann dort ein dritter Treppenlauf von Süden nach Norden,
der aus Holz gezimmert gewesen sein muß. Er erreichte im
Norden das Felsmassiv, wo seine obersten drei bis vier Stufen
wieder in den Fels gehauen sind. Der Eingang zur Oberburg hat
sich wahrscheinlich dort befunden, wo die letzten und obersten
Stufen zum Plateau hinwenden. Wo der Palas seinen Zugang zu den
oberen Etagen hatte, ist nicht ersichtlich. Betrachtet man den
verwendeten Mörtel, so erhält man folgende Anhaltspunkte
zum Zeitpunkt der Errichtung des Treppenhauses: Die entnommenen
Trittstufen waren in den Mörtel eingebettet, der zum Bau
des Palas verwendet worden war. Daß dies jedoch bereits
eine Renovierung darstellte, zeigte sich nach dem Winter 1995/96,
als durch Frosteinwirkung dieser obere Mörtel großenteils
aufgefroren war und darunter der ältere gelbliche Mörtel
zum Vorschein kam, der in der südlichen Palasmauer FST 3-1
und den älteren Bereichen des darin befindlichen Tores FST
3-6 lokalisiert worden ist. Demnach ist im Zuge der Errichtung
des Palas die ältere Treppe lediglich erneuert worden.
Sämtliche Felswände im Bereich des Palas, des Treppenhauses und südlich davon waren auch mit Quadern verblendet, die jedoch fast überall später abgerissen worden sind. Eine derartige Felsverkleidung wird durch ihre Hinterfütterung und Reste von Mörtel belegt.
Die Ausdehnung der Grabungsfläche auf der ersten Beringebene
läßt nun die Zusammenhänge der hier zuvor bereits
freigelegten Flächen in einem helleren Licht erscheinen.
Unmittelbar südlich des Palas verläuft ein schmaler,
um 0,50 m abgetiefter Gang (FST 17) in Richtung Ost-West. Begrenzt
wird er nach Süden zur Fläche FST 5 durch einen Absatz
im Fels, auf dessen Oberkante sich die Mörtelspur einer abgetragenen
Mauer (FST 5-2) erkennen ließ. Als der Palas gebaut wurde,
hat man anscheinend diese Mauer auf ihrer Nordseite mit einer
neuen Schale versehen. Dieser ursprünglich ca. 1,20 m breite
Gang ist vermutlich nach der Zerstörung der Burg auf der
Höhe des Tores zum Palas durch große Steine geschlossen
worden. Unter diesen wiederverwendeten Steinen sind wahrscheinlich
beidseitig die Abdrücke von Laibungssteinen einer Tür
erhalten. Wohin man gelangt, wenn man diesen Gang nach Osten verfolgt,
kann erst eine Fortsetzung der Grabung in diese Richtung klären.
Vermutlich konnte man von ihm aus weitere Gebäude und betreten.
Sein Bodenbelag war nicht mehr erhalten. Stattdessen bedeckte
eine dunkle, stark mit Holzkohle durchsetzte Schicht in wenigen
Zentimetern Mächtigkeit den Felsuntergrund.
Wenn man vom Palas durch das südliche Tor FST 3-6 genau entlang der inneren Torkante des östlichen Laibung schaut, erkennt man, daß das weiter südlich gelegene Gebäude FST 4 mit seiner Nordwestecke ungefähr in dieser Flucht errichtet ist. Die stumpf eingesetzte Mauer FST 6-1 unterbricht dort einen früheren Weg. Im Westen endet sie an der nicht mehr vorhandenen Verkleidung der Felswand; durch das Ende der Mauer FST 6-1 kann man die ursprüngliche Stärke der Felsverkleidung noch erkennen. Nahe dem östlichen Ende weist Mauer FST 6-1 noch eine Besonderheit auf: Auf der Oberfläche ihrer Abbruchkante ist eine Art Rinne ausgemörtelt, die trichterförmig erweiternd und mit leichtem Gefälle nach Nordosten verläuft und eine Öffnung in der dortigen Wand bildet. Im Mörtel auf der Rinnensohle ist der Abdruck eines Biberschwanzziegels zu erkennen. Möglicherweise ist diese Rinne ein Wasserablauf gewesen oder aber eine Einlaßstelle für einen Balken. Im Mauerinneren schließt sich etwas an, das wie der Teil eines engen gemörtelten Fallschachtes aussieht. Dieser Befund ist nicht zu deuten, da das aufgehende Mauerwerk nicht erhalten ist.
Die Mauer FST 6-1 unterbricht einen Weg, dessen Pflasterung im
südlichen Bereich der Mauer noch in geringen Resten erhalten
ist. Ein Wechsel im Verlegemuster seiner Pflasterung aus schmalen
Eisengallesteinen deutet an einer Stelle an, daß dieser
Weg vermutlich um die Oberburg herum in Richtung Westen abbiegt,
und auch an die Mauer FST 4-3 des Gebäudes FST 4 scheint
sich in westlicher Richtung eine weitere Mauer anzuschließen.
Dort stehen zur Zeit noch Schuttschichten an.
Während sich die Pflasterung eines Weges auf der ersten Beringebene im Südtor FST 3-6 des Palas und 9 m weiter südlich nachweisen läßt, ist die Fläche FST 6 im unmittelbaren südlichen Anschluß an das Tor FST 3-6 vor dem Treppenhaus zur Oberburg von großen Werksteinen bedeckt, die anscheinend aus einer Abbruchmasse nach der Aufgabe der Burg stammen. Diese Steine sind in ungleichmäßig dicken, nicht mehr bindenden Mörtel eingebettet, welcher zu der Mauer FST 6-1 leicht ansteigt. Dem Befund nach sind der Mörtel und die Lage von Werksteinen jünger als diese Mauer. Diese Steine waren bündig mit fester brauner Erde überdeckt. Funde datieren diese Schicht frühestens in das 18. Jahrhundert. Vor dem Tor FST 3-6 zum Palas wird die Werksteinlage durch eine Reihe von annähernd quadratischen Sandsteinen abgeschlossen, in denen Schleifspuren von ca. 1,28 m Abstand vom häufigen Befahren durch Wagen mit eisernen Radreifen zeugen. Merkwürdig ist zunächst, daß diese Steinreihe mit den Radspuren allem Anschein nach nicht zum Tor FST 3-6 und dessen gepflastertem Durchgang gehört, sondern in das erwähnte jüngere Mörtelbett der Werksteine eingelegt und somit nicht nur jünger als das Palastor FST 3-6, sondern auch jünger als die den Weg unterbrechende Mauer FST 6-1 ist. Wie sollten Wagen durch den Palas auf die enge Fläche vor dem Treppenhaus zur Oberburg gelangen, wenn dort weder eine Möglichkeit zur Weiterfahrt noch zum Wenden bestanden hat? Erklärung bietet die Auswertung der Zeichnungen von Schichtprofilen und Flächen im Schutt, der allenthalben während des Abbruchs der Ruine angefallen ist. Was auf den ersten Blick zusammenhanglos und nebensächlich scheint, bekommt durch das Zusammenbringen der vielen Details Strukturen. Es befinden sich darin nämlich nicht nur die Ausbruchgräben der Mauern, sondern auch Anhaltspunkte für die Wegverläufe während der Abbrucharbeiten. Wahrscheinlich läßt sich ein solcher Weg im Schutt an mehreren Stellen über eine Strecke von ungefähr 14 m verfolgen, beginnend 3 m nördlich des inneren Palastores FST 3-5 in einer Tiefe von ca. T -9,40 in Form einer leicht geschotterten schmalen Fläche, teilweise bedeckt mit dunkler Erde, vorbeiführend am verdrehten Laibungsstein dieses Tores durch das damals noch bestehende südliche Tor des Palas FST 3-6. Dort hinterließen die Wagen ihre Spuren (Tiefe T -8,25 m) auf den Steinen. Der Weg führte weiter nach Süden, stieg auf ein Niveau von T -6,40 m an und muß vermutlich nach über die Abbruchkante der Mauer FST 6-1 hinweg verlaufen sein.
Von dieser offenliegenden Oberfläche im Schutt des Palas
kann man wieder den Bogen zum Schacht auf der Oberburg schlagen:
Wie erwähnt, war diese Wegefläche teilweise mit dunkler
Erde bedeckt. Sie enthielt Scherben, welche ebenso wie diejenigen
oberhalb des Treppenhauses aus dem Schacht herausgeworfen worden
sind. Danach ist dieser Weg noch durch mehrere Meter hohe Schuttmassen
überlagert worden.
Die archäologischen Funde [↑]
Nachdem die Grabungsbefunde vorgestellt wurden, die neue Erkenntnisse über die Gebäudesituation auf der Burg liefern, wendet sich das Interesse nun dem "Innendienst" des archäologischen Teams zu, welcher neben der Auswertung der Grabungsbefunde schwerpunktmäßig in der Aufbereitung, Archivierung und Auswertung der Fundobjekte besteht.
Den größten Teil der Funde machen Keramikscherben aus,
an zweiter Stelle folgen Knochen - überwiegend von Küchenabfällen,
danach kommen Nägel und Glas vom Gebäude und schließlich
die sog. Kleinfunde, welche kleine Gerätschaften, Spielzeug,
Trachtbestandteile und Beschläge aus Metall, Knochen, Horn,
Elfenbein usw. sowie Münzfunde umfassen.
Keramik - Vom Scherbenfund zum Gefäß
Der Betrachter archäologischer Funde sieht in Museen, Ausstellungen
und in der Literatur vollständige, ergänzend restaurierte
oder zumindest überwiegend zusammengesetzte Gefäße.
Wer noch nicht den Alltag einer archäologischen Ausgrabung
verfolgt hat, macht sich selten ein Bild vom Weg, den ein bruchstückhafter
Bodenfund bis zu seiner Präsentation in der Öffentlichkeit
zurücklegt. An dieser Stelle sei daher das Verfahren der
Aufbereitung der Funde am Beispiel der Ausgrabung in Kirkel beschrieben.
1. Auf der Ausgrabungsfläche werden Schichten in genau abgemessenen
Flächen abgetragen. Die Erdmasse wird dabei mit dem Metalldetektor
untersucht und teilweise auch gesiebt, so daß auch kleinste
Fragmente nicht übersehen werden. Fundstücke von besonderer
Wichtigkeit, z.B. Münzen, werden dabei in ihrer exakten Lage
dreidimensional eingemessen und registriert. Alle anderen Fundobjekte
wandern in einen Sammelkorb und erhalten einen sog. Laufzettel,
auf dem unter einer Registriernummer sämtliche Daten der
Schicht vermerkt sind, aus der die Funde stammen.
2. Diese Fundkollektionen werden während des Winters vorsortiert nach den Bestandteilen Keramik, Knochen, Glas und Metall. Knochen und Nägel werden getrocknet und mit Laufzettelnummern verpackt, ebenso Glasreste, die zu zerbrechlich zum Waschen sind. Auch sämtliche Fundobjekte, die von besonderem wissenschaftlichem Interesse sein könnten, werden aus den Kollektionen ausgesondert. An dieser Stelle sollen solche Funde jedoch außer acht gelassen werden. Stattdessen betrachten wir die Keramikfunde, welche sich zunächst als ein Komplex darstellen, den man am besten mit einem Puzzle vergleichen kann: Hier besteht die Schwierigkeit erstens darin, daß Zehntausende von Scherben zu einer unbekannten Anzahl von verschiedenen Gefäßen gehören; zweitens sind die Scherben der einzelnen Gefäße nur in den seltensten Fällen komplett vorhanden.
Bevor das Puzzlespiel beginnen kann, müssen die Fundstücke
aufbereitet werden. Zuerst wandern die Keramikscherben kollektionsweise
in Waschschüsseln, wo sie eingeweicht und behutsam mit Bürsten
gereinigt werden. Danach werden sie zum Trocknen ausgelegt. Anschließend
erhält jede einzelne Scherbe auf ihrer Innenseite mit Tusche
eine kleine Beschriftung, welche Informationen zu Fundort, Fundjahr,
Inventarnummer des Staatlichen Konservatoramtes und die erwähnte
Laufzettelnummer der Grabung beinhaltet. Im Falle der Ausgrabung
auf der Burg Kirkel lautet diese Beschriftung z.B. "KI 1995:019-586",
was bedeutet: Fundort Kirkel, Fundjahr 1995, Inventarnummer des
Staatlichen Konservatoramtes 019 (19. gemeldete Fundstelle des
Jahres), Laufzettelnummer 586. Unter der Nr. 586 z.B. kann man
in der Grabungsdokumentation feststellen, in welchem Zusammenhang
und an welcher Stelle die Funde gemacht worden sind, und was eventuell
zu dieser Fundkollektion gehört.
3. Sind die Scherben einmal beschriftet und somit identifizierbar,
so beginnt die Puzzle-Arbeit. Zunächst werden sie ausgelegt
und sortiert. Man trennt verschiedene Gattungen, wie z.B. Graue
Irdenware, Rote Irdenware, glasierte Irdenware, Steinzeug. Innerhalb
der Gattungen ordnet man nach Gefäßtypen, z.B. Töpfen,
Krügen, Schüsseln, Ofenkacheln usw. Hier wiederum wird
getrennt nach Rändern, Henkeln, Ausgüssen, Wandungs-
oder Bodenscherben. Nachdem die Vorsortierung abgeschlossen ist,
beginnt die Suche nach Anpassungen und Ähnlichkeiten. Anpassende
Scherben werden zusammengeklebt, nicht anpassende Scherben desselben
Gefäßes werden dazugelegt. Hierzu ist ein geschultes
Auge notwendig, welches Farbe, Magerung, Bearbeitungsweise und
Form der Fragmente erfaßt, sowie ein sehr gutes bildliches
Gedächtnis, um zu wissen, wo man eventuell zugehörige
Teile bereits gesichtet hat. Diese Arbeit erfordert große
Konzentration und nimmt viel Zeit in Anspruch.
Die Gefäße wachsen nach und nach wieder zusammen. Erst
wenn man sicher ausschließen kann, daß es noch weitere
anpassende Scherben geben könnte, und nur wenn es notwendig
erscheint (z.B. für Ausstellungszwecke), werden die fehlenden
Teile durch Gips ergänzt und eingefärbt. Diese restauratorische
Arbeit ist ein ganz wesentlicher Bestandteil für die nachfolgende
wissenschaftliche Auswertung und für die Öffentlichkeitsarbeit
in Form von Ausstellungen. Da letztere zur Genüge bekannt
sind, sei im Folgenden die weitergehende Forschungsarbeit vorgestellt.
4. Zuerst kommt die bildliche Dokumentation: Die technische Zeichnung
erlaubt die Rekonstruktion von unvollständigen Gefäßen
auf dem Papier, enthält Bemaßung, Schnittansicht und
die Darstellung von Besonderheiten, z.B. von Verzierungen. Daneben
werden Fotografien von Objekten angefertigt, welche die Farbe
und einen Gesamteindruck der Gefäße wiedergeben sollen.
Schriftlich werden alle Merkmale bezüglich Material, Magerung,
Herstellungstechnik, Farbe und Erhaltungsgrad vermerkt.
5. Dann wird aus dem Gesamtkomplex eine Gefäßtypologie dieses Fundortes erarbeitet, in welcher die Gefäße nach Material, Brenntechnik, Funktion und Formgebung geordnet werden. Der Vergleich mit ähnlichen Gefäßen in Museen und Fachpublikationen gibt Ansätze zur zeitlichen Einordnung der Gefäßtypen. Sämtliche Gefäße werden aufgelistet, dazu kommen alle aussagefähigen Scherben, insbesondere Randscherben. In dieser Datenbank werden dazu auch die Fundzusammenhänge erfaßt. Dadurch kann man untersuchen, welche Gefäßtypen in welchen Schichten und Räumlichkeiten vorkommen. Diese Fundkonzentrationen werden kartiert. Sie geben Aufschluß über die Funktion verschiedener Gebäudeteile, über eventuellen Nutzungswandel und liefern Anhaltspunkte zur Datierung von Bau- und Zerstörungsphasen.
Doch nicht nur für die Burg selbst ist diese Arbeit wichtig,
sondern darüberhinaus bildet sie die Grundlage für übergreifende
Vergleiche: Derart kann man untersuchen, wie die Töpferwaren
unserer Region sich im Laufe der Jahrhunderte entwickelt haben,
welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Fundkollektionen
in der näheren Umgebung bestehen, und wie sich diese Gefäßtypen
großräumig verhalten. Die Keramik von Burg Kirkel zeigt
bereits im Vergleich zu mittelalterlichen Lesefunden aus Kirkel
"Im Talgarten" ganz interessante Aspekte auf, indem
dort viele Gefäßtypen einer spätmittelalterlichen
Phase zu finden sind, welche im bisherigen Fundmaterial der Burg
erst spärlich vertreten sind. Die Ursache dafür zu ergründen,
könnte neue Aufschlüsse über das Zusammenwirken
von Burg und Dorf in dieser Zeit erbringen. Das Material vom
Kloster Wörschweiler, Kloster Gräfinthal und der Hohenburg
kann Vergleiche mit Keramik der sozialen Oberschicht ermöglichen;
Scherbenfunde aus weiteren Wüstungen des Bliesgaues zeigen
dagegen, was im einfachen Haushalt verwendet wurde. Letztendlich
kann man auf diese Weise eine mittelalterliche Gefäßtypologie
zunächst des Saarpfalz-Kreises und dann des saarländisch-lothringischen
Raumes erarbeiten und sie mit denjenigen der angrenzenden Regionen
verbinden.
Zusammenfassung [↑]
Die Ausgrabungen auf der ersten Beringebene haben bislang eine Fülle von neuen Erkenntnissen über die Architektur der Burg erbracht. Der Erhaltungszustand der Mauern ist unter meterhohen Schuttmassen erstaunlich gut, wie bislang freigelegte Mauern von über 3 m Höhe beweisen.
Es sind unter den Schuttmassen wesentlich mehr Gebäudeteile erhalten, als man bisher vermutet hat. Daß der Burgkegel wahrscheinlich eine sehr lange Besiedlungsdauer aufweist, zeigen die Funde mehrerer römischer Ziegelfragmente und einzelner römischer Scherben, die gelegentlich im Schutt auftauchen und sicherlich als Zeugnisse einer frühen Besiedlung des Burgberges angesehen werden dürfen.
Einen wesentlichen Anteil an der Erforschung der materiellen Kultur des Mittelalters unserer Region stellt das inzwischen umfangreiche archäologische Fundinventar dar, das zum Teil vor Ort restauriert und wissenschaftlich ausgewertet wird.
Die Fortsetzung der Ausgrabung erscheint mir unter Berücksichtigung
der bisher erbrachten Ergebnisse sinnvoll: Die Freilegung und
Restaurierung der Ruine gestalten diese zum attraktiven Anlaufpunkt
für Touristen, und gleichzeitig macht hier die noch junge
Wissenschaft der Mittelalterarchäologie im Saarland große
Schritte voran.