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Die Bestattung des Fürsten Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken in der Schloßkirche Saarbrücken

Erstbericht Stand März 1996. Text und Fotos: Christel Bernard


Die Durchführung des Projektes erfolgte in Kooperation mit dem Staatlichen Konservatoramt des Saarlandes.

Fürst Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken, geboren am 6. März 1718, starb am 24. Juli 1768 nach einem Schlaganfall. In aller Stille wurde er am 29. Juli in der Schloßkirche beigesetzt. Die offizielle Leichenfeier fand erst einige Zeit später statt (Quelle: Hans-Walter Herrmann, Trauerrede auf den Tod des Fürsten Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken. Saarheimat Heft 7, Juli 1968, S. 183). Auf seiner Gruft wurde ein Denkmal errichtet. Als 1842 die Schloßkirche ausgebessert wurde, versetzte man dieses Grabdenkmal an eine andere Stelle. Bei dieser Gelegenheit öffnete man die Gruft "und den Sarg des Fürsten, dessen balsamierte Leiche noch wohl erhalten gefunden wurde." (Friedrich Köllner: Geschichte des vormaligen Nassau-Saarbrück'schen Landes und seiner Regenten. Erster Teil, Saarbrücken 1842 [Nachdruck 1982], S. 464.) Eine weitere Öffnung von Gruft und Sarg wurden 1948 durch Prof. Dieter Heinz vorgenommen.

Anläßlich der bevorstehenden Umbettung des Fürsten Ludwig von Nassau-Saarbrücken, der am 23.11.1995 neben seinem Vater in der Gruft der Schloßkirche seine letzte Ruhestätte finden sollte, ist die Bestattung von Fürst Wilhelm Heinrich vom 10. bis 12.11.1995 einer eingehenden archäologischen (C. Bernard) und paläopathologischen (Dr. Dieter Buhmann) Untersuchung unterzogen worden. Im Folgenden ein kurzer Abriß der denkmalpflegerischen Dokumentation.

Der Arbeitsvorgang

Als erstes wurden Fotos des vorgefundenen Zustandes aufgenommen; es folgte die Zeichnung des Befundes. Dann wurden die Sargtrümmer von der Bestattung entfernt, soweit sie diese bedeckten. Anschließend wurden die Textilreste und freiliegende Teile des Toten mit dem Pinsel gereinigt. Dabei wurden losgelöste Teile als Proben entnommen. Der Befund wurde wiederum fotografisch und zeichnerisch dokumentiert. Schließlich wurden die Textilien abgenommen, sofern sie die Körperteile des Toten nur bedeckten und nicht umhüllten, und die entsprechenden Partien des Skeletts wurden ebenfalls dokumentiert. Die Gruft wurde abschließend aufgemessen, fotografiert und beschrieben.

Ein Mitarbeiter bei der Arbeit
Vorsichtige Reinigung mit einem Pinsel.

Beschreibung des Befundes

1. Der Sarg und seine Ausstattung

In der Gruft steht ca. 0,20 m vor deren Nordwand ein zerstörter Sarg. Vom Oberkörper und Schädel bereits abgenommene Teile des Sargdeckels lagen neben dem Sarg auf dem Gruftboden, die restlichen Deckelteile befanden sich noch auf der Bestattung.

Der Außensarg mit Deckel und der Innensarg.
Außensarg mit Deckel und Innensarg A - Deckel
B - Außensarg
C - Innensarg
E - Eisen (Griff, Blech)
Der freigelegte Innensarg.

Innensarg


Zeichnungen: Yves D'Hinnin, 11.11.1995

1.1. Aufbau des Sarges

1.1.1. Der Außensarg

Der Außensarg bestand aus Eichenbrettern mit einer dreiteiligen Profilleiste an der Oberseite des Deckels und einer Leiste an dessen Rand. Der Deckel war zum Oberkörper hin verbreitert. Er schloß einen Kasten ab, dessen unterer Rand ebenfalls durch eine Leiste profiliert war. Die Brettverbindungen waren durch Nut- und Federsystem am Hirnholz hergestellt, zusätzlich sind Holzdübel von 8 mm Durchmesser und Eisennägel verwendet worden. Die ursprünglichen Holzfüße des Sarges sind zum größten Teil vermodert und konnten nicht dokumentiert werden. Die Oberflächenbehandlung des Sarges hat vermutlich aus Bierlack bestanden, von dem sich abblätternde schwärzliche Reste erhalten haben. Zu einem späteren Zeitpunkt hat man den Sarg durch sechs hochkant liegende Backsteine unterstützt. Eine weitere Reparaturmaßnahme ist am Deckel festgestellt worden, und zwar ist er 1948 durch Herrn Heinz diagonal über seine Ecken hinweg durch aufgeschraubte Eisenbänder gefestigt worden.

1.1.2. Der Innensarg

Der Innensarg aus Weichholz ist schlicht gehalten. Von seinem Inneren war zumindest der Kasten ausgeschlagen mit rosa (?) Seide, unter der sich eventuell eine Lage Papier befunden hat. Die Kanten des Seidenstoffes sind mit Silberbrokatband überdeckt und mit bronzenen Buckelnieten im Abstand von 3–5 cm am Holz befestigt.

Der Zustand des Sarges ist sehr schlecht. Alle Teile sind komplett mürbe und das Weichholz auch zum Teil verworfen. Der Boden des Sarges hat sich bis auf den Gruftboden abgesenkt, wodurch ein Aufsteigen der Bodenfeuchtigkeit begünstigt wird.

1.1.3. Die Innenausstattung des Sarges

Das Totenbett ist vermutlich mit Heu gepolstert worden. Darauf lassen Kräutersamen schließen, die sich zwischen Halmen befunden haben. Unter dem Heupolster sind lange eingerollte Hobelspäne von Weichholz mit 3-4 cm Breite eingebracht worden. Abgedeckt wurde das Polster durch einen gröberen Stoff, der dem ersten Augenschein nach aus Leinen bestanden haben könnte. Der Stoff ist dunkelbraun verfärbt, sehr mürbe und zu einem großen Teil bereits vergangen. Unter dem Kopf des Toten liegt ein Kissen aus dem gleichen Füllmaterial, überzogen mit heller Seide.

Auf der Bestattung selbst befand sich gelblicher zerknüllter Seidenstoff mit einem Rüschenband, verlaufend von einem kissenartig gerüschten Teil auf dem Oberbauch, nach unten unregelmäßig über dem Toten liegend, bis zu dessen Fersen. Die Rüschen sind mit einer kleinen goldfarbenen (?) Schlingenborte gefaßt. Diese Seide ist, wie sich im Verlauf der Bergung zeigte, mit mehreren Schleifen aus braunem, 5 cm breitem Seidenband, welche jeweils zu fünf Schlaufen gebunden sind, benäht. Da sich dieser Stoff nicht in seiner ursprünglichen Lage befunden hatte, ließ sich durch die Untersuchung jedoch nicht eindeutig klären, ob es nun ein Innenfutter des Sargdeckels oder etwa eine Decke war, die über den Toten gelegt worden ist. Zwischen diesem zerknüllten Seidenstoff lagen Fetzen von rosa Seide und Silberbrokatband sowie Mörtelbrocken.

2. Der Tote und das Totenzubehör

Der Oberkörper der Mumie
Die Reste von Außen- und Innensarg sind mürbe und teilweise verworfen, lassen jedoch die Konstruktion erkennen.

Der Tote befindet sich in gestreckter Rückenlage mit dem Kopf nach Osten, d.h. in Richtung zum Chor der Kirche hin. Der Unterkiefer ist herabgesunken. Deutlich sichtbar ist der Sägeschnitt, durch den der Schädel zwecks Entnahme des Gehirns geöffnet worden war. Der Schädel wird durch eine Perücke bedeckt, welche leicht zum Nacken verrutscht ist. Sie besteht aus dunkelblondem oder mittelbraunem Haar, welches am Gesicht mit einer Haarlänge von ca. 8 cm nach hinten in Locken gelegt ist. Die längeren Haare am Hinterkopf und der lange Zopf kamen erst nach Entnahme des Schädels durch Dr. Buhmann zum Vorschein.

Der Kopf in der Aufsicht
Auf dem Toten wurde Seide so drapiert, daß sie wie ein Hemd aussieht. Die Armknochen sind nach außen verlagert. Unter dem Kinn liegt eine Schleife aus braunem Seidenband; die Perücke ist nach hinten gerutscht. Sichtbar auch Reste des Kissenbezuges aus Seide.

Die Oberarme lagen neben dem Oberkörper, und die Hände waren auf das Becken gelegt. Der Tote ist durch die Sargtrümmer im Bauchbereich beschädigt; der rechte Unterarm fehlt, während die rechte Hand vorhanden ist. Dr. Buhmann stellte fest, daß auch der rechte Ringfinger fehlt. Demnach kann man davon ausgehen, daß der Tote beraubt worden ist.

Der Kopf in der Seitenansicht

Zur Kleidung des Toten gehört wahrscheinlich eine braune Seidenschleife, ähnlich den oben beschriebenen Schleifen, welche unterhalb des Kinns auf dem Hals lag. Auf dem Oberkörper war ein gelblicher Seidenstoff drapiert, der anscheinend identisch mit dem eventuellen Sargstoff (siehe oben) ist. Der Stoff war so auf den Oberkörper und die Arme gelegt und mit vielen bronzenen Stecknadeln befestigt, daß er wie eine Bluse aussah; er umhüllte den Körper jedoch nicht. Am linken Unterarm war er zu einer Art von Manschette gesteckt, welche aus nach oben umgeschlagenem Stoff bestand, dessen Schnittkante weder umsäumt noch festgenäht worden war. Der Knochen des rechten Oberarmes hatte sich nicht mehr unter dem drapierten Hemdsärmel, sondern neben diesem befunden, und auch die linken Unterarmknochen waren verlagert. Unter dem Seidenstoff waren auf dem Bauch und den Beinen Reste von dunkelbraun verfärbtem, leinenähnlichem Gewebe zu finden, welches mit den lederartigen Hautresten verklebt war. Dieses stammt wahrscheinlich vom Totenhemd. Ob die Beine in einer Hose gesteckt haben, konnte man aufgrund der schlechten Erhaltungsbedingungen nicht mehr klären, denn die Stoffreste auf den Beinknochen ähnelten dem des Totenbettes sehr.

Die Füße stecken in Strümpfen, welche vermutlich aus Seide gestrickt und aus je zwei Teilen zusammengenäht sind, und zwar handelt es sich um ein Fersen- und Fußteil, deren Nähte sich im Wadenbereich der Strümpfe fortsetzen. Verziert sind die Strümpfe durch ein waagerecht verlaufendes Lochmuster auf dem Fersen- bzw. Wadenteil und aufgestickte Blümchen entlang der Nähte auf dem vorderen Strumpfteil. Das obere Ende der Strümpfe ist vergangen, man kann daher nicht sagen, wie hoch sie an den Waden hinaufreichten. Schuhe sind nicht gefunden worden. Da die Fußknochen zumindest des linken Fußes sich nicht mehr im anatomischen Verband befunden haben, kann man davon ausgehen, daß dem Toten wahrscheinlich die Schuhe gestohlen worden sind, nachdem sich der Knorpelverband teilweise aufgelöst hatte.

Zu Beginn der Untersuchung war man davon ausgegangen, eine relativ intakte, mumifizierte Leiche vorzufinden. Man beabsichtigte, diese in situ zu belassen und lediglich vor Ort zu dokumentieren. Während der Freilegung stellte sich jedoch heraus, daß der Körper durch Feuchtigkeit sehr modrig geworden war, und daß er, mit Ausnahme des etwas erhöht liegenden Schädels, größtenteils nur noch als Skelett mit einigen Hautfetzen erhalten war. Insbesondere unter dem zerknüllten Stoff im Bauchbereich war alles durchnäßt. Daher erschien es dringlich, die erhaltenen Reste vor ihrem absehbaren endgültigen Zerfall komplett zu untersuchen. Dr. Buhmann hat deshalb die Skeletteile entnommen und zur Röntgenuntersuchung in die Universitätsklinik Homburg verbracht. Anschließend sind die Teile wieder in ihrer vorherigen Lage, welche im Polsterabdruck des Totenbettes gut zu erkennen war, wieder in den Sarg gelegt worden.

3. Die Gruft

Nach der Untersuchung von Leichnam und Sarg wurde abschließend die Gruft untersucht.

3.1. Bauweise

Die Grabkammer hat eine fast quadratische Grundfläche von 2,41 m zu 2,38 m. Ihre Orientierung entspricht nicht ganz derjenigen des Kirchenschiffes, sondern weicht ebenso wie der Chor leicht nach Ostsüdost ab. Ihr Boden befindet sich 2,14 unter dem heutigen Begehungsniveau der Kirche und ist mit flachliegenden Backsteinen gepflastert, von denen einige einen Glasuranflug aufweisen. Ab einer Höhe von 0,92–1 m setzt ein Tonnengewölbe aus Backstein (Format ca. 22 x 11 x 5 cm) an, dessen ebenfalls aus Backstein errichtete Giebelseiten sich im Norden und Süden befinden. Seine lichte Höhe beträgt 1,66 m. Es ist zuerst im südlichen Teil errichtet und zusammen mit den senkrechten Wänden mit einem gelblichen Kalkmörtel verputzt worden. Der nördliche, 1,20 m breite Teil wurde erst nach Einbringung des Sarges überwölbt und blieb unverputzt. Er weist in den Backsteinfugen den selben Mörtel auf, der im übrigen Teil der Gruft als Putz verwendet worden ist. Hervorgequollener Fugenmörtel läßt die Abdrücke der Bretterverschalung erkennen, welche zur Errichtung des Gewölbes bestanden hat.

Die annähernd quadratische Einstiegluke von ca. 0,40 m lichter Weite am Scheitelpunkt des südlichen Gewölbeteiles ist an ihrer Ost- und Westseite mit je einer Sandsteinplatte von ca. 0,66 x 0,22 x 0,08 m Größe eingefaßt; Süd- und Nordseite der Luke weisen keine besondere Einfassung auf, sondern bestehen nur aus den Backsteinen des Gewölbes. Die Luke ist bei der Errichtung des Gewölbes angelegt worden.

Darüber liegt eine unverzierte, ca. 0,5 cm starke Gußeisenplatte von 0,69 x 0,51 m Größe. Ihr Rand weist an drei Seiten jeweils zwei umlaufende Wülste auf, die zusammen ca. 3 cm in der Breite einnehmen. Am oberen Rand der Platte befindet sich eine kleine, halbrund hervorragende Fläche mit einem Loch von ca. 2 cm Durchmesser. Der untere Rand der Eisenplatte wird von den Rillen ausgespart. Auf der Rückseite befinden sich Mörtelspuren; die Platte ist leicht nach der Rückseite hin durchgebogen und im unteren Bereich eingerissen. Wahrscheinlich ist diese Platte nicht als Abdeckung für den Grufteinstieg hergestellt worden, sondern an dieser Stelle zweitverwendet. Darüber folgt als oberste Abdeckung der Gruft eine Sandsteinplatte des modernen Fußbodens, welche zentral durch ein kleines eingemeißeltes Kreuz markiert ist.

3.2. Veränderungen

Nach Fertigstellung sind verschiedene Veränderungen im Inneren der Gruft vorgenommen worden. An der Ostwand ist direkt südlich von der Baunaht in 1,37 m Höhe ein Durchbruch zu erkennen, der ca. 0,40 m breit und 0,40–0,45 m hoch ist. Durch diese Öffnung sind die Arbeiter (die Grabräuber?) 1948 in die Gruft gelangt. Später wurde dieses Loch durch eingeschobene Backsteine und davorliegend drei horizontale Eisenbänder verschlossen, welche wiederum senkrecht durch ein weiteres Eisenband gehalten werden.

Über dem Kopfende des Sarges hat man eine rechteckige Fläche von 0,23 m Breite und 0,17 m Höhe vom Putz befreit, welche sich 0,40 m entfernt von der Nordostecke und 0,85 m über dem Boden befindet. Laut Aussage von Herrn Heinz, der die Gruft 1948 dokumentiert hat, war dort eine Gedenktafel angebracht, welche jedoch inzwischen nicht mehr vorhanden ist. Eine entsprechende Tafel ist in eine Fläche an der Nordwand gesetzt. Sie befindet sich dort in der gleichen Entfernung zur Nordostecke und annähernd in der selben Höhe wie die oben beschriebene Ausarbeitung; auch die Maße stimmen ungefähr überein (Breite 0,23 m, Höhe 0,18 m). Sie ist mit Gips gefüllt, in den ein christlicher Sinnspruch geritzt und mit grüner Farbe ausgemalt ist:

"WAS IST DER MENSCH
DASS DU SEIN GEDENKEST
UND DES MENSCHEN KIND
DASS DU DICH SEIN ANNIMMST."

An beiden Giebelwänden befindet sich jeweils ein unregelmäßiges Loch. An der Nordwand sitzt es 1,08 m von der Nordwestecke entfernt und 0,98 m über dem Boden und hat ca. 0,10 m Durchmesser und 0,08 m Tiefe, an der Südwand befindet es sich 1,29 m von der Südostecke entfernt und 0,95 m über dem Gruftboden. Dort ist es ca. 0,18 m breit, 0,10 m hoch und 0,34 m tief. Beide Öffnungen sind in die bereits verputzten Wände eingeschlagen worden.

Christel Bernard im März 1996
HOCH